Adventskalender 2019

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Vorwort

Ich wurde gebeten, in diesem Vorwort kurz zu beschreiben, wie ich zu dieser Geschichte kam. Nun, eine Geschichte schreiben, wollte ich schon recht früh, fand die Idee einfach schön. Die Idee selber kam mir aber erst im Frühsommer des letzten Jahres. Ich hatte die Geschichten mit Althea und dem Geschenke verteilenden Asura Arekk gelesen. Mir fiel dabei auf, dass es recht viele Geschichten mit Asura oder Menschen zu geben scheint bzw. dass viele Feiern auf Menschengebiet stattfinden. Deswegen wollte ich mal eine andere Rasse in den Mittelpunkt stellen. Also dachte ich mir damals, dass es eigentlich ganz nett wäre, einen Charr als Protagonisten zu nehmen, da es dort zum Wintertag doch einen kleinen Gegensatz gibt. Eine militärisch orientierte Rasse mit strikten Regeln steht einem Fest des Friedens und des Feierns gegenüber. Ich hatte auch noch eine andere Idee, aber die mit dem Charr gefiel mir besser. Also habe ich ein paar Ideen gesammelt, was unser Freund so alles erleben könnte, und habe auch das Konzept der vorherigen Geschichten übernommen, dass er zumindest jeweils eine Gegend besucht, in der eine spielbare Rasse vorherrscht. Und so ist dann die Geschichte entstanden, die Ihr nun lesen werdet.

Kapitel 1: Truppenalltag

Noch etwas schläfrig streckte sich Kor Zermalmkralle in seinem Bett und gähnte die Zimmerdecke über sich an. Dann gab er sich einen Ruck und stand entschlossen auf. Dabei vergaß er, dass er in dem Raum, wo er und der Rest des Trupps schliefen, ganz oben auf einem der Etagenbetten schlief, und fand statt Boden nur Luft unter seinen Füßen. Mit einem überraschten Fauchen landete er mit allen Vieren auf dem Boden.
Kor und der Rest des Trupps waren erst vor Kurzem in eine neue Kaserne in der Schwarzen Zitadelle umgezogen. An sich keine große Sache, aber bis dahin hatte Kor immer in den unteren Betten geschlafen, die oberen Etagen waren noch immer ungewohnt für ihn.
Zerma Geistzermalmer sah seinen Versuch aufzustehen und lachte leise: „Irgendwann kapierst du, dass du da ganz oben schläfst, und fällst nicht jeden Tag überrascht runter. Andererseits bist du ein guter Wecker.“ Damit erhob sie sich ebenfalls aus ihrem Bett, so wie der Rest des Trupps auch, die von Kors Fauchen aufgeweckt wurden. „Ich war doch nicht überrascht, ich mache das mit Absicht, damit ihr mal unter euren Decken hervorgekrochen kommt“, erwiderte Kor knurrend, wobei er das nicht wirklich ernst meinte.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er Zerma. Sie war, wie er fand, eine sehr gutaussehende Charr, ihr Fell war glatt und hatte eine schöne, satte, goldbraune Färbung, ihre Hörner bogen sich schwungvoll um ihre kleinen Ohren und die Augen waren von einem zarten Grün.
Zerma schien seinen Blick zu spüren und schaute ihn an. Schnell drehte Kor seinen Kopf in Richtung Tür und ging in die Waschstube, wobei sein Schweif hin und her zuckte. Für Träumereien ist später noch Zeit, schalt sich Kor, und außerdem sind wir schon lange Freunde, warum sollte sich daran plötzlich etwas ändern.


In der Waschstube inspizierte er erst einmal sein Fell, seine Hörner und seine Zähne und reinigte sie ordentlich. Dann ging es in die Rüstungskammer. Dort ging er zu seinem Schrank und öffnete ihn. Darin waren drei Rüstungen zu finden. Eine für den Kampf, mit scharfen Kanten und vielen Stacheln, eine für das Training, die vor allem schwer war, um Kraft und Ausdauer aufzubauen, und eine Paraderüstung mit vielen Schnörkeleien und Verzierungen. Kor nahm die Trainingsrüstung, schloss den Schrank wieder, nahm sich noch ein paar Übungswaffen aus dem entsprechenden Schrank und ging raus auf den Übungsplatz.
Dort lag eine dünne Schicht Schnee und verwandelte den sonst braunen Platz in eine weiße und weiche Ebene. Kor sah sich versonnen den Platz vor sich an, noch vollkommen unberührt von Fußabdrücken und aufgewühlter Erde. Dann setzte er sich in Bewegung und stapfte durch den Schnee. Nach ein paar Schritten blickte er zurück und sah sich die Spur an, die er zurückgelassen hatte, die Krallenabdrücke, welche sich mit scharfen Kanten in die Schneedecke eingegraben hatten.
Nach und nach kam auch der Rest des Trupps raus und gruppierte sich für seine morgendlichen Übungen. Kor stand Garck Einauge gegenüber, einem Veteranen, der schon fast sein ganzes Leben in diesem Trupp verbracht hatte, und mit ein paar Übungsschwertern schlugen sie sich die Müdigkeit aus den Gelenken. Für einen unerfahrenen Beobachter sahen diese Duelle aus, als wollten sich die beiden tatsächlich gegenseitig durchbohren, aber für die Kämpfer waren dies nicht mehr als Aufwärmübungen. Kor hatte mal solche Kommentare gehört, von einem Sylvari und einem Menschen, und fragte sich seitdem, wie diese denn wohl trainierten.


„Hat ein gewisser Charr ein Auge auf eine gewisse Charrfrau geworfen, hmm?“, neckte Garck zwischen zwei Angriffen. „Ich weiß nicht, wovon du redest“, log Kor, wobei er sich unwillkürlich kurz nach Zerma umsah. „Ha, und schon schaust du Zerma hinterher“, lachte Garck leise. Dann nieste er einmal und knurrte weniger vergnügt: „Dieser verdammte Schnee, kann das Zeugs überhaupt nicht ab. Immer rutscht man darauf aus und ich muss davon immer wieder niesen!“ „Ach, so schlimm finde ich den Schnee nicht“, antwortete Kor. Er würde es niemandem verraten, aber er fand es sehr lustig, im Schnee mit seinen Pfotenabdrücken Muster zu hinterlassen. „Ja, ja, die Jugend“, rief Garck, bevor er anfing zu lachen und dann seinen Schild hob, um einen Angriff von Kor zu parieren. „Nutze deinen ganzen Körper und nicht nur deine Arme, auch wenn du in denen viel Kraft hast. Mit dem ganzen Körper hast du mehr Schwung und kannst schneller in eine neue Position übergehen“, korrigierte Garck Kor. So ging das etwa eine Stunde lang.

Nach den morgendlichen Übungen ging es dann zum Frühstück, wo eine ordentliche Portion würziges Flankenschnitzel auf alle wartete. Kor setzte sich mit seinem Teller an einen Tisch und fand sich Zerma gegenüber. „Wie findest du die neue Bude?“, fragte sie ihn. „Ganz in Ordnung, an sich ja kaum anders als die Alte, die Dinge und Wege sind nur ein wenig anders“, antwortete Kor leicht nervös. „Nur, dass ich oben schlafe, daran muss ich mich noch gewöhnen.“ Daraufhin lachte Zerma leise und Kor entspannte sich ein wenig.
„Hab gehört, unser Kommandant soll demnächst wieder neue Befehle bekommen“, meinte sie nach kurzer Zeit. „Wo hast du das denn gehört?“, fragte Kor überrascht. „Ach, Garck hat ein wenig geplaudert. Er ist doch gut mit unserem Kommandanten befreundet und der hat unserem Veteranen wohl ein paar Hinweise gegeben, was in nächster Zeit geplant ist,“ sagte Zerma, nachdem sie ihr zweites Schnitzel verputzt hatte. „Vielleicht geht es ja an die Front“, antwortete Kor hoffnungsvoll. „Möglich“, meinte Zerma, „aber in letzter Zeit sind die Geister doch etwas ruhiger als sonst. Hab von anderen Trupps gehört, dass die Geister fast schon friedfertig geworden sind.“ „Es sind Geister“, schüttelte Kor den Kopf, „die sind nicht friedfertig, ist vielleicht nur so ein Menschending oder nur eine neue Taktik.“ „Das wird es wohl sein“, meinte Zerma und widmete sich dann ihrem Steak mit Winterbeerensoße.
Nach dem Frühstück ging es wieder hinaus. Draußen vor der Kaserne erwartete sie schon ihr Kommandant.

Kapitel 2: Bote wider Willen

„Achtung!“, rief Legionär Torren Zermalmschwert. „Soldaten, in Reih und Glied!“ Schnell sammelte sich der ganze Trupp und stellte sich vor seinem Kommandanten auf. Kor Zermalmkralle stand in der ersten Reihe. Er war ein wenig aufgeregt. Seit er in diesen Trupp gewechselt war, hatte es noch keine wirklichen Befehle gegeben. Sie waren zur Zeit nur in Bereitschaft. Normalerweise kam der Kommandant im Laufe des Tages und schaute sich bei ihnen um – dass er heute schon so früh bei ihnen war, roch nach Befehlen.
Kor hoffte, dass sie nun an die Front gehen würden, denn das lange herumsitzen, trotz aller Übungskämpfe war nichts für ihn. Er wollte sein Schwert ungehemmt schwingen und sich mal wieder richtig austoben. Erwartungsvoll schaute er deswegen zum Kommandanten.
„Soldaten, in ein paar Tagen wird ein Ereignis stattfinden, dass ihr hier so noch nie erlebt habt. Doch damit diese Operation erfolgreich stattfinden kann, muss jeder von euch mit anpacken und seine Befehle gewissenhaft ausführen. Ich kann jetzt noch nicht näher darauf eingehen, was genau hier stattfinden wird, doch seid versichert, dass ihr noch lange daran denken werdet. Jeder von euch wird gleich Befehle von mir bekommen und ich erwarte, dass diese schnellstmöglich erfüllt werden,“ erklärte Torren Zermalmschwert.
Kors Schweif zuckte freudig hin und her. Das hört sich nach einer großen Operation an, sicherlich starten wir demnächst einen Großangriff. Er schaute sich verstohlen um und sah auch in den Gesichtern der anderen die gleiche Erwartung auf einen Kampf, nur Garck hatte ein amüsiertes Lächeln aufgesetzt.
Legionär Torren Zermalmschwert holte ein paar Schriftrollen aus seiner Tasche und rief dann: „Die Soldaten Zermalmfuß, Stahlzermalmer, Geistzermalmer und Zermalmkralle, vortreten und zu mir kommen.“
Kor, Zerma und die beiden anderen aufgerufenen Soldaten traten aus und stellten sich vor ihrem Kommandanten auf. Dieser reichte jedem von ihnen eine Rolle: „Eure Befehle stehen dort drauf, erledigt sie – und jetzt zurück ins Glied.“
Etwas verdutzt nahm Kor seine Rolle und trat wieder ein. Er sah, wie die anderen ihre Befehle lasen und so öffnete auch er seine Rolle:


Euer Befehl lautet wie folgt:

Begebt euch zur Blutstrom-Küste und sucht die Person Lissa Blutmesser auf, wahrscheinlicher Aufenthalt wird Moriaritys Feste sein. Ihr werdet ein Paket annehmen und dieses unverzüglich an Legionär Torren Zermalmschwert bis zum 85. Tag des Kolosses dieses Jahres übergeben.

Tribun Rytlock Brimstone

Während Kor seinen Befehl las, teilte Zermalmschwert den Rest der Truppe in kleine Gruppen auf und gab ihnen weitere Anweisungen.
Kor war zuerst verblüfft über diesen Befehl und wurde dann wütend. Ihr Kommandant bereitete offensichtlich eine große Operation vor und er wurde zu einem Botenjungen degradiert. Er war ein Soldat der Blutlegion, ein guter Kämpfer und kein einfacher Botenjunge! Er wusste nicht, womit er so eine Strafe verdient hatte, hatte Kor doch nichts gemacht, um solch eine Schmach zu verdienen. Er knurrte wütend und knüllte die Rolle zusammen. Er sah sich nach Zerma und den anderen um und ihrem Gesichtsausdruck nach hatten sie ähnliche Strafen erhalten.
„Das ist nicht fair!“, fauchte Jik Stahlzermalmer. „Wieso muss ich zu den Baumgrenzen-Fällen gehen, um ein verdammtes Paket abzuholen?!“ „Genau“, stimmte Kor zu, „soll die Asche-Legion das machen, an der Front sieht man die ja eh nie, oder die Eisen-Legion mit ihren ach so tollen Maschinen. Wir aber sind von der Blut-Legion, wir sind Krieger, kämpfen an der Front, Auge in Auge mit dem Feind. Und dann werden wir losgeschickt, um ein paar Pakete abzuholen!“
Plötzlich tippte jemand Kor auf die Schulter und er dreht sich um. Sofort verrauchte sein Zorn und er und die anderen drei standen stramm. Torren Zermalmschwert stand direkt vor Kor.
„Nun, wie es scheint, haben einige Soldaten Bedenken über die ihnen erteilten Befehle“, sagte Zermalmschwert. „Gehört ihr zu eben diesen, Soldat Zermalmkralle?“
„Sir, nein, Sir, ich habe keine Probleme mit den Befehlen, genauso wenig wie einer der anderen hier, Sir“, antwortete Kor schnell. Bevor er sich jedoch bremsen konnte, rutschte ihm noch heraus: „Wir verstehen nur den Sinn dahinter nicht, Kommandant, und fragen uns, was wir getan haben.“ Torren sah sich jeden der vier nacheinander an und sagte dann: „Diese Befehle sind keine Strafe. Die Pakete sind wichtig, damit die Operation ordnungsgemäß stattfinden kann. Sorgt dafür, dass die Pakete rechtzeitig und heil ankommen. In ein paar Tagen werdet ihr verstehen, weshalb ihr diese Befehle erhalten habt. Bis dahin vergeudet eure Energie nicht mit sinnlosen Wutausbrüchen, sondern dafür, eure Befehle gewissenhaft auszuführen. Und vergesst nicht, ihr holt ein Paket ab und zieht nicht in den Krieg. Legt also eure Paraderüstung an, verstanden?“ Damit drehte er sich um und ging fort. Nach ein paar Schritten hielt er noch einmal inne und sagte: „Ach, Soldat Zermalmkralle, passt auf, dass ich nicht aufmerksam auf euch werde.“ Dann setzte der Kommandant seinen Weg fort.
Kor und die anderen atmeten erleichtert aus und schauten sich an. Zerma kratzte sich am rechten Ohr und meinte dann: „Hmm, nun, wir haben den Kommandanten gehört. Machen wir uns besser auf den Weg und beenden diese peinliche Situation so schnell wie möglich.“ Kor und die anderen nickten und langsam gingen sie auseinander, um sich auf ihren jeweiligen Botengang vorzubereiten. Zerma schloss zu Kor auf und fragte: „Und wo hat der Kommandant dich hingeschickt?“ „Zur Blutstrom-Küste“, antwortete Kor. „Und dich?“ „Zu irgendeinem kleinen Asura irgendwo in der Brisban-Wildnis“, erwiderte sie. „Nettes Reiseziel“, versuchte Kor zu scherzen. „Von wegen“, fauchte Zerma, „zu viel Grünzeug und überall Ratten – dumme Ratten und besserwisserische Ratten und natürlich noch die ganz normalen Ratten. Naja, man sieht sich und pass auf, dass du dem Kommandanten nicht noch mehr auffällst, der kann ja ganz schön unangenehm werden. Erinnere dich nur mal an Jik, der zwei Monate lang die Latrinen ausheben durfte. Man, hat der geflucht. Und gestunken vor allem!“ Leise lachend ging Zerma davon.
Auch Kor machte sich für die Reise fertig. Er deckte sich in der Kantine noch ein wenig mit Proviant ein und legte sich dann die Paraderüstung an. Er trug sie nicht gerne, da sich immer wieder einzelne Haare festklemmten und bei der nächsten Bewegung herausgerissen wurden. Außerdem könnte es ja doch zu irgendwelchen Kämpfen kommen und dann würde die Paraderüstung nur halb so gut schützen wie seine Richtige.
Zu guter Letzt ging er noch zur Bibliothek und beschaffte sich eine Karte von Tyria. Der Weg zur Blutstrom-Küste war zwar nicht all zu weit, aber besser er war vorbereitet als sich auf dem Weg zu verirren.
Kurz vor dem Portal nach Löwenstein überprüfte er noch einmal alles. Die Rüstung saß, soweit das überhaupt ging, Proviant und Karte waren sicher verstaut und die Waffen ließen sich leicht herausziehen. Zufrieden nickte Kor, atmete ein und ging durch das Portal.

Kapitel 3: Stillgestanden!

Teleportationen hatte Kor noch nie gemocht. Ihm sträubte sich immer das Fell und er hatte das Gefühl, dass nach dem Transport irgendetwas bei ihm nicht mehr da saß, wo es hingehörte. Aber wie bei jeder Teleportation konnte Kor auch nach dieser nicht feststellen, was dieses Mal falsch bei ihm zusammengesetzt worden war.
Nachdem er sich eingehend überprüft hatte, schaute er sich seine Umgebung näher an. Der Portalbereich in Löwenstein war gut besucht und an einigen Portalen gab es sogar eine Warteschlange. Kor sah einige Sylvari herumsitzen, eine Gruppe von Asura bastelte gerade an einem Portal herum – zum Glück nicht an dem, aus dem Kor gerade herausgekommen war. Währenddessen warteten ein paar Menschen und sogar ein Tengu darauf, dass das defekte Portal wieder einsatzbereit war. Hier und dort ragten zudem noch einige Norn und Charr aus dem Gewusel heraus und beobachteten das Treiben um sich herum. Und die ganze Zeit über fielen große Schneeflocken vom Himmel. Auf dem Platz selber hielten sich die Flocken nicht lange, wurden sie doch fast sofort zertrampelt, doch an den Rändern hatte sich eine dünne Schicht aus den weißen Eiskristallen gebildet und bedeckten auch die zusammengeschobenen Schneehaufen.
Manche Sylvari schauten fasziniert in den Himmel und freuten sich über den fallenden Schnee, die Norn kümmerten sich überhaupt nicht darum und die wenigen Charr wischten immer wieder Flocken von ihrer Rüstung.
Kor ging auf den Platz und suchte nach dem Ausgang in Richtung Blutstrom-Küste. Dabei ging er vorsichtig, denn er hatte Angst, plötzlich einen Asura unter seinen Füßen vorzufinden oder etwas anderes ähnlich Unangenehmes, als er sah, wie ein Mensch eine Tüte hinter sich warf, aus der dann verschrumpelte Äpfel kullerten.
Obwohl der Schnee einiges an Lärm dämpfte, war es dennoch ziemlich laut hier. Überall wurde geredet, gelacht oder geflucht. Mal wurde es besonders laut, dann ebbte der Lärm wieder ein wenig ab.
„… Schnee, also. Das ist toll!“ „Mach mal hinne du kleine …“ „… gehört, dass gestern …“ „… singet und tanzet und lacht …“ Wo Kor sich auch hinwandte, jeder schien mit jedem zu reden. Nach kurzer Überlegung entschied er sich, über die Hinterbezirke von Löwenstein in den Südteil zu kommen. Der Weg war zwar ein wenig weiter und vielleicht auch nicht die beste Gegend, aber dafür sehr viel ruhiger, als die Passage über die Gedenk-Brücke und das Fort Marriner.
Also setzte er sich in Bewegung und betrat die Brücke in Richtung Hinterbezirk. Auf der Brücke sah man deutlich, dass Winter herrschte. Das Gelände war mit einer Eisschicht bedeckt und der Boden war ebenfalls ziemlich rutschig. Einige Menschenkinder schlitterten vergnügt auf der Brücke herum und lachten laut. Kor beugte sich ein wenig über das Geländer und schaute nach unten. Kleine Eiszapfen hatten sich an der Unterseite der Brücke gebildet und auf dem Wasser des Innenhafens sah man sogar einzelne kleine Schollen aus Eis herumschwimmen.
Hinter der Brücke stand das Hauptquartier der Gilden-Initiative. Es war jedoch kaum etwas los. „Haben sich wohl alle ins Warme verkrochen“, brummte Kor leise und ging weiter.
Schließlich kam er an den Deverol-Gärten vorbei. Kor hatte mal irgendwo gehört, dass dieser Platz sehr romantisch sein sollte, aber zumindest jetzt war er vor allem besetzt von einer großen Kinderschar. Einige bauten Schneemänner, andere bewarfen sich mit Schneebällen und noch ein paar andere Kinder schauten vom Rand der Gärten herunter und blickten über das Wasser.
Kor wollte schon weitergehen, als ein paar Kinder auf ihn aufmerksam wurden. Laut lachend und schreiend rannten sie auf ihn zu. „Hey, schaut mal, da ist einer von den Großen!“ „Die heißen Car, du Idiot.“ „Nein, Charr, nicht Car, und du bist selber ein Idiot.“ „Ich will auch das haben, was er trägt, das sieht toll aus.“ „Ja, ich auch, eine richtige Rüstung und Waffen und dann mache ich alle platt, die ganzen blöden Diebe und Piraten und dann bin ich der große Anführer!“ „Von wegen, ich werde der Anführer sein!“ Lachend stritten sich die kleinen Menschenkinder weiter, während sie Kor umkreisten. Der wusste gar nicht, wie er sich verhalten sollte. Charr-Junge waren nie derart respektlos gegenüber Erwachsenen, wussten sie doch, dass jeder von ihnen einen großen Beitrag dazu leistete, die Geister zurückzuschlagen.
Die Menschenkinder hier allerdings schienen weder Respekt noch Angst vor ihm zu haben. Sie umkreisten ihn immer wieder und bewunderten seine Rüstung und seine Waffen. In seinem Versuch, die Kinder von eben diesen Sachen fernzuhalten, bewegte sich Kor immer weiter auf die Deverol-Gärten zu. „Lasst eure Griffel von meinen Waffen, die sind gefährlich“, knurrte er und schob vorsichtig eines der Kinder weg. „Der knurrt ja richtig“, lachten die Kinder und fingen sofort an selber Knurrlaute von sich zu geben.
Immer mehr Kinder kamen jetzt zu ihm und betrachteten mit großen Augen seine Rüstung. Und dann begannen plötzlich ein paar der kleineren Kinder auf ihm herumzuklettern! Als Kor das bemerkte, war er so verblüfft, dass er sich kein bisschen mehr bewegte. Er war hoffnungslos überfordert mit dieser Situation. So etwas war ihm noch nie passiert. „Hey, runter mit euch, ich bin ein Soldat und keine Kletterwand!“, rief er empört, aber die Kinder kümmerten sich nicht darum und kletterten munter weiter auf ihm herum.
Er wollte den Kindern nicht wehtun, was aus seiner Sicht schon schwer war, da Menschen weder ein polsterndes Fell noch Krallen hatten oder wie die Sylvari eine harte Borkenhaut besaßen oder wie Norn Muskeln hatten. Wenn er sich jetzt jedoch bewegte, um die Kinder loszuwerden, würde bestimmt etwas passieren, dachte Kor. Also war seine einzige Option still zu sein und zu hoffen, dass die Kinder irgendwann die Lust verloren.
Gut, dass ich meine Paraderüstung angezogen habe. Mit meiner Kriegsrüstung hätten sich die Kleinen ja überall geschnitten, dachte er. Jetzt halte ich schon als Klettergerüst für Kinder her. Hoffentlich erfährt das keiner aus meinem Trupp, ich würde mich nie wieder unter deren Augen trauen... Kor Klettergerüst... schlimmer könnte es gar nicht kommen. Ich wäre das Gespött jedes Trupps.
Während Kor also ganz still war und die Kinder auf ihm herumkletterten suchten seine Augen die Gegend ab, ob nicht irgendwo ein Charr auftauchen würde. Was er dann allerdings tun würde, um zu verhindern, dass man ihn in solch einer Lage sah, wusste Kor noch nicht.


Nach einer Weile fingen dann aber seine Muskeln an zu ziehen und Kor wurde es immer kälter. Auf seinen Kopf hatte sich eine Schicht Schnee gelegt und er musste immer wieder ein Niesen unterdrücken.
Jetzt reicht es aber, meinte er zu sich, ich hab einen Auftrag zu erledigen und kann nicht die ganze Zeit hier nur blöd rumstehen und die Kleinen auf mir herum klettern lassen! Mit diesen Gedanken bewegte Kor sich wieder etwas und sagte zu den Kindern: „Hey, ihr kleinen Racker! Das reicht jetzt aber wirklich, runter mit euch. Ich muss weiter, also haut ab, sonst bin ich nicht mehr so freundlich, klar?“ Damit begann er, sich doch ein wenig mehr zu bewegen und die ersten Kinder ließen von ihm ab. Nach wenigen Augenblicken hatte er seine Rüstung wieder für sich und wollte sich gerade abwenden, als er merkte, dass er doch noch einen besonders kleinen Passagier auf der Schulter sitzen hatte. Vorsichtig hob er das kleine Mädchen hoch und setzte es sanft auf den Boden. „Das reicht jetzt aber, geht wieder zu den anderen und schmeißt euch mit Schnee ab“, sagte er zur Kinderschar und wandte sich um. Die Kinder winkten ihm lachend hinterher und Kor hob nach ein paar Schritten ebenfalls die Hand zum Abschied. Jetzt aber schnell weg hier, dachte er, hab schon viel zu viel Zeit mit den kleinen Rackern vergeudet. Dabei musste er jedoch schmunzeln. Irgendwie hatte es ihm doch etwas Spaß gemacht, mit den kleinen Kindern gespielt zu haben, wobei er natürlich lieber gestorben wäre, als das zuzugeben.

Kapitel 4: Kamingeschichten

Gegen Abend kam Kor beim Blutküsten-Bezirk an. Da es schon so spät war, wollte er erst am nächsten Tag in die Blutstrom-Küste aufbrechen. Also ging er ins Fort Marriner und zum Wachsamen-Zentrum, um dort die Nacht zu verbringen. Er war zwar keiner der Wachsamen, aber er hoffte, dass sie dennoch ein Bett für die Nacht für ihn entbehren konnten.
Als er dort ankam grüßte ihn eine Norn: „Holla, euch habe ich hier noch nie gesehen. Wer seid ihr und was wollt ihr hier? Ich bin übrigens Olda.“ „Guten Abend, Frau Olda, mein Name ist Kor Zermalmkralle und bin auf der Durchreise, um einen Auftrag zu erfüllen. Ich wollte fragen, ob ihr für einen Charr der Blutlegion ein Bett frei habt“, antwortete Kor höflich. „Nun, Freund Zermalmkralle, diese Entscheidung liegt nicht bei mir, ich bediene lediglich die wenigen Soldaten hier. Dort drüben steht jedoch ein Kriegsmeister der Wachsamen. Ihr solltet mit eurer Bitte zu ihm gehen“, erwiderte sie und zeigte an Kor vorbei. „Das werde ich“, sagte Kor und wandte sich um. „Keine Sorge, Freund Charr, wir haben hier genügend freie Betten und wenn ihr den Kriegsmeister mit ebensolcher Höflichkeit bittet wie mich, solltet ihr euch keine Sorgen machen müssen über ein Bett für diese Nacht“, meinte die Wirtin Olda noch.


Kor fand den Kriegsmeister recht schnell. Er war ein großer Norn und sein Gesicht zierten ein paar Narben. „Ich grüße euch, Kriegsmeister“, sagte Kor zu ihm. Der schaute sich Kor an und meinte dann: „Was wollt ihr hier? Ihr seid kein Wachsamer, aber eindeutig ein Krieger.“ „Das stimmt, Kriegsmeister, ich bin ein Soldat der Blut-Legion und gehöre dem Zermalmertrupp an, Kor Zermalmkralle ist mein Name. Ich bin gerade unterwegs, um einen Auftrag zu erledigen, und wollte euch darum bitten, mir ein Bett für die Nacht zu geben“, antwortete Kor. „Ah, von der Blut-Legion, ihr seid verdammt gute Soldaten“, meinte der Kriegsmeister grinsend. „Sicher haben wir ein Bett für euch, sucht euch eines aus, zur Zeit ist hier nicht viel los.“ „Ich danke euch“, sagte Kor. „Keine Ursache. Schaut nur zu, dass ihr das Bett morgen ordentlich hinterlasst. Und fragt nach Olda, sie kann euch vielleicht noch eine Kleinigkeit zum Futtern geben. Ach, ihr solltet auch noch mal einen Blick auf eure Rüstung werfen, sie könnte ein wenig Zuwendung gebrauchen“, erwiderte der Kriegsmeister. „Es gab heute eine … ungeplante Situation, in die ich hineingeraten bin und ich hatte noch keine Zeit, meine Rüstung wieder in Ordnung zu bringen“, antwortete Kor und versuchte dabei nicht peinlich dreinzublicken, „aber danke für euren Hinweis, Kriegsmeister.“ Der winkte noch einmal und ging dann weiter, um seinen Rundgang zu Ende zu bringen. Kor ging wieder zu Olda und sagte: „Der Kriegsmeister hat mir ein Bett gegeben und ich soll euch fragen, ob ihr noch etwas zu essen für mich habt.“ „Sicherlich“, antwortete Olda, „macht es euch drinnen bequem, ich bringe euch gleich etwas.“


Im Inneren des Zentrums sah sich Kor um. Es gab in der Tat viele Betten, aber nur wenige waren besetzt. Ein paar Asura, ein Charr, einige Menschen und Sylvari waren hier, aber die meisten von ihnen lagen bereits in ihren Betten und schliefen. Kor setzte sich an die Feuerstelle neben zwei Asura, die über ein paar Strategien fachsimpelten. Kor holte einen Lappen aus einem seiner Beutel und begann, seine Rüstung zu säubern. Die kleinen Racker haben aber ordentlich was hinterlassen, dachte er dabei und musste wieder ein wenig schmunzeln.
Nach ein paar Minuten kam Olda mit einem Teller mit Braten herein und einem weiteren, kleineren Teller. „So, Freund Charr, hier habe ich für euch ein schönes Stück Dolyak-Braten mit Knoblauch-Chili-Soße – meine eigene Kreation, übrigens. Hoffentlich schmeckt es euch.“ „Danke, das wird es sicherlich“, antwortete Kor und nahm den Teller entgegen. „Und was ist das dort auf dem kleinen Teller?“, fragte er. „Das, mein Freund, ist ein kleiner Nachtisch. Ein Stück Lebkuchen. Die Kinder aus der Gegend haben ihn gemacht, extra für euch Soldaten. Ich weiß nicht, ob ihr so etwas kennt, aber ich bin sicher, dass ihr ihn mögen werdet“, antwortete Olda und reichte Kor auch diesen Teller. Dann ging sie wieder.


Kor widmete sich nun zuerst dem Braten und verputzte ihn in wenigen Minuten, dann schaute er sich das Stück Lebkuchen an. Er roch kurz daran und verzog ein wenig sein Gesicht.
Die beiden Asura beobachteten ihn dabei und einer meinte dann grinsend: „Welch seltener Anblick, einen Charr erschaudern zu sehen vor einem Stück Lebkuchen. Aber fürwahr, ich gebe zu: ein Lebkuchen ist schon ein harter Gegner, zumindest für einen Nicht-Wachsamen.“ „Pah, von wegen Erschaudern, da müsst ihr euch wohl verguckt haben“, antwortete Kor und aß ein Stück Lebkuchen. Der Lebkuchen war wirklich sehr, sehr süß und klebrig und Kor hatte schon wesentlich Besseres gegessen, aber er schluckte das Stück hinunter, weil er sich vor den Asura keine Blöße geben wollte. „Meine Ohren, mein Großer, das war doch nur ein kleiner Scherz“, meinte der Asura, „nehmt doch nicht gleich alles so ernst. Aber jetzt sagt, wie schmeckt euch der Lebkuchen? Und sagt jetzt nichts Falsches, schließlich haben ihn die Kinder extra für uns gemacht.“
Kor sah sich die beiden Asura an und meinte dann: „Nicht ganz so gut wie der Braten, aber schmeckt dennoch ziemlich gut.“ Die beiden Asura lachten und meinten dann: „Diese Energieeinheit ist viel zu süß, stimmt's? Die Kleinen haben mindestens 53 Prozent zu viel Zucker dazu gegeben. Und dennoch schmeckt es gut, schließlich haben die Kinder viel Liebe hineingesteckt.“ Dann förderte einer der beiden Asura ein paar Flaschen Glühwein hervor und meinte: „Stoßt mit uns an, Freund Charr, mit einem heißen Getränk schmeckt alles noch gleich viel besser.“ Dazu sagte Kor nicht nein und so schlürften die drei fröhlich eine Tasse Glühwein nach der anderen, aßen den Lebkuchen und erzählten sich gegenseitig Geschichten vergangener Schlachten, während es draußen dunkel wurde, der Schnee fiel und drinnen die Feuerstelle wohlige Wärme verbreitete.

Kapitel 5: Echse trifft Charr

Am nächsten Morgen machte sich Kor auf zur Blutstrom-Küste. Dort angekommen schaute er sich zuerst noch einmal seinen Befehl an und kramte dann seine Karte heraus. Hmm, Moriaritys Feste, wo liegt die denn?, fragte er sich und suchte sein Ziel auf dem Plan. Ah, im Nordosten also. Nun gut, dann werde ich mich jetzt mal Richtung Portage-Hügel begeben und dann zur Feste. Zufrieden packte Kor alles wieder ein und machte sich auf den Weg.
Im Vergleich zu Löwenstein war es hier noch wesentlich wärmer, zwar fielen auch hier immer wieder ein paar Flocken, aber mehr als ein paar Sekunden blieben sie nicht auf dem Boden liegen, bevor sie schmolzen. Dadurch war der Weg ein wenig schlammig und Kor versuchte, so gut es ging am Rand des Weges zu laufen.
Während er so den Weg entlang lief, schaute sich Kor die Gegend an. Um ihn herum wuchsen überall palmenartige Gewächse, kleinere Pflanzen wucherten zwischen deren Stämmen und ragten teilweise bis auf den Weg. Kor kümmerte das wenig, er stampfte einfach über sie drüber.
Links von ihm erhob sich eine hohe Felswand, auf der verschiedenfarbige Eidechsen kletterten, Vögel in schillernden Farben nach Insekten pickten und andere Kleintiere herumwuselten. Dazu kam der Geruch vom Meer aus der Nähe, gemischt mit einer Note von im Wasser verrottenden Pflanzen.
Naja, nicht gerade meine Lieblingsgegend, aber den Sylvari dürfte das hier sicherlich gefallen. Dann schlug sich Kor plötzlich auf die Nase. „Verdammte Mücken! Lasst mich in Ruhe, bei mir gibt es nichts zu holen!“, knurrte er und schlug wieder nach ein paar der Insekten, die sich auf seine Nase setzen wollten.
Die Mücken waren scheinbar anderer Meinung. Sie witterten frisches Blut und da sie nicht durch die Rüstung und das Fell kamen , stürzten sie sich umso heftiger auf die Nase von Kor. Der fluchte die ganze Zeit und brüllte irgendwann alle Mücken der umliegenden zehn Kilometer an, dass sie ihn in Ruhe lassen sollten.


Plötzlich hörte der Charr ein lautes Fauchen aus der Nähe und ein paar Büsche in seiner Nähe fingen an zu rascheln. Sofort verstummte Kor und machte sich bereit für was auch immer da gleich auftauchen würde. Nach einigen Augenblicken kam ihm ein Sumpflindwurm entgegen und Kor entspannte sich ein wenig. „Ach, nur ein blödes Echsenvieh. Erschreck mich doch nicht so“, meinte er. Dann raschelte es erneut und ein weiterer Sumpflindwurm tauchte auf und noch einer und noch einer. Nach wenigen Sekunden stand sich Kor fünf großen Echsen gegenüber, die ihn ihrerseits argwöhnisch begutachteten. Kor bewegte sich langsam und legte seine Klauen an sein Schwert und sein Schild.
Die Sumpflindwürmer schienen zu einem Entschluss gekommen zu sein und einer öffnete sein Maul und spuckte eine giftige Wolke auf Kor. Dieser wich aus, zog seine Waffen und knurrte freudig: „So ist es richtig, ein kleiner Kampf tut immer gut. Hatte schon zu lange keinen mehr. Dann zeigt mal, was ihr so drauf habt, ihr Giftspucker, und ich zeige euch, wie ein Charr kämpft.“ Damit warf er sich gegen die Sumpflindwürmer.
Kor stach mit seinem Schwert auf die Echsen ein, wirbelte herum und versetzte ihnen einen Schnitt nach dem anderen. Diese wiederum hüllten ihn mit ihrem Giftatem ein, versuchten ihn mit kräftigen Schwanzhieben von den Beinen zu fegen und bissen ihm in Arme und Beine. Doch Kor war nicht umsonst ein Soldat der Blut-Legion, zudem einer, der noch lebte. Er wich behände aus, trat auf die Schwänze und rammte ihnen seinen Schild in das geöffnete Maul.
Nach wenigen Minuten war der Kampf zu Ende. Kor stand alleine da, umgeben von den toten Leibern der Sumpflindwürmer und atmete schwer. Dann reckte er sein Schwert in die Höhe und brüllte seinen Sieg heraus. „Gut gekämpft, ihr Echsen, aber gegen einen Charr hattet ihr keine Chance!“
Kor putzte kurz seine Waffen, steckte sie wieder weg und schaute sich dann die Körper um sich herum an. Hmm, hab gehört, Echsenfleisch soll ganz gut schmecken, dachte er. Nachdem er kurz überlegt hatte, zuckte er mit den Schultern und fing an die Sumpflindwürmer zu bearbeiten, um an deren Fleisch zu kommen.


Eine Stunde später war Kor wieder auf dem Weg in Richtung Portage-Hügel. Er kam an einer Brücke vorbei und grüßte einen Löwengardisten, der dort Wache hielt. Die Brücke selber war nicht sehr beeindruckend, eine normale Konstruktion aus Holz und Stein. In der Mitte angekommen, machte Kor eine kurze Pause und schaute sich um. Links von sich konnte er in der Ferne einen Wasserfall sehen und das Rauschen des tosenden Wassers drang an seine Ohren. Das Wasser bildete einen Fluss, über den die Brücke führte, und mündete in das Sumpfgebiet, welches den Übergang zum Meer darstellte. Vor sich konnte Kor eine Feste erkennen, wenn auch noch ein Stück entfernt. Er holte die Karte heraus und suchte nach dem Namen dieser Festung. Ah, da haben wir sie, die Marschwacht-Freistatt, dachte er, ein Vorposten der Löwengarde. Gut, die werden dort sicherlich Informationen zu Moriaritys Feste haben und vielleicht sogar zu dieser Lissa Blutmesser.
Zufrieden steckte er die Karte wieder ein und machte sich auf den Weg zur Marschwacht-Freistatt.

Kapitel 6: Menschen …!

Bei der Feste angekommen wurde Kor von zwei Löwengardisten angehalten und angesprochen: „Guten Tag, Reisender, was führt euch hierher?“ „Ich bin hier, um einen Auftrag für die Blut-Legion zu erledigen“, antwortete Kor. „Sagt, wer kann mir Informationen über Moriaritys Feste geben?“ Die Löwengardisten schauten sich kurz an und meinten dann skeptisch: „Was wollt ihr denn dort? Das ist kein Ort für rechtschaffene Bürger.“ „Ich soll dort etwas abholen, mehr weiß ich nicht. Also, kann mir jetzt jemand was darüber sagen oder nicht?“, knurrte Kor, angesichts des Tonfalls der Gardisten etwas angespannt.
„Moriaritys Feste ist ein Piratennest, aber wenn ihr unbedingt mehr wissen wollt, Konstabler Wildzahn wird euch sicherlich mehr erzählen können“, antwortete einer der beiden und winkte Kor in die Feste.
Der bedankte sich kurz und ging dann hinein, um diesen Konstabler Wildzahn zu suchen.
Das dauerte nicht allzu lange, denn kaum war Kor drinnen, hörte er auch schon eine Flut an Flüchen und Wutausbrüchen, wie sie nur ein Charr von sich geben konnte. Grinsend folgte Kor diesem Ausbruch und gelangte schon bald in den hinteren Teil der Feste, wo er einen Charr wild auf und ab laufen, ständig mit den Armen um sein Gesicht herumfuchteln und dabei immer wieder böse Blicke in Richtung Süden werfen sah.
Als er Kor antraben sah, hörte er auf zu fluchen und kam zu ihm: „Na, was haben wir denn hier, einen Charr auf Abwegen? Ihr seid weit weg von zu Hause. Hmm, ihr seid von der Blut-Legion, habe ich recht?“ „Jawohl, ich bin Kor Zermalmkralle, vom Zermalmer-Trupp der Blut-Legion“, antwortete Kor. „Und ich bin Konstabler Wildzahn von der Löwengarde und befehlige über diesen Haufen Steine und Nichtsnutze hier“, sagte Wildzahn und zeigte dabei aber stolz auf seine Feste und die Leute, die ihm unterstellt waren. „Also, Kamerad, was führt euch hierher?“
„Ich bin im Auftrag meines Truppführers hier. Genauer gesagt soll ich mich mit einer Kontaktperson in Moriaritys Feste treffen und dort ein Paket abholen“, erwiderte Kor. „Moriaritys Feste? Kann ich mir nicht vorstellen, die Leute dort haben nichts, was der Blut-Legion von Nutzen wäre, und das sind auch nicht gerade die vertrauenswürdigsten Personen“, meinte Konstabler Wildzahn. „Seid ihr sicher, dass diese Feste euer Ziel ist?“
„Ich habe den Befehl schwarz auf weiß. Hier“, meinte Kor und zeigte dem Konstabler die Rolle mit dem Befehl.
„Hmm, oha, sogar von einem Tribun persönlich unterschrieben“, sagte Wildzahn. „Muss wohl doch wichtig sein. Wird wohl eine große Operation werden, wie? Wenn mir das Datum auch etwas komisch erscheint, irgendwas klingelt da bei mir, aber ich weiß nicht was …“
Kor nahm die Rolle wieder an sich und meinte: „Von den Löwengardisten am Eingang habe ich gehört, dass die Leute in Moriaritys Feste Piraten sein sollen.“
„Naja, nicht ganz. Sie sind Freibeuter, legale Piraten, und nennen sich die Penzan-Freibeuter.“
„Legale Piraten?“, fragte Kor.
„So nennen die Menschen sie hier zumindest. Piraten, die aber keine sind, aber genau das machen, was Piraten machen, jedoch mit der Erlaubnis der Menschenkönigin“, antwortete der Konstabler und schüttelte den Kopf.
Kor tat es ihm gleich und knurrte: „Menschen.“ Wildzahn stimmte zu: „Versteh die mal einer, ich tue es jedenfalls nicht. Aber wie auch immer, die Menschen dort sind nicht unsere Feinde, jedenfalls lauten so meine Befehle und so lange ihr denen nichts tut, sollten sie euch ebenfalls in Ruhe lassen.“
„Danke für die Information“, antwortete Kor.
„Habt ihr eine Karte bei euch? Dann kann ich euch den genauen Weg zu diesem Pack zeigen“, fragte Konstabler Wildzahn.
„Sicher, hier“, sagte Kor und holte seine Karte heraus. „Gut, ihr müsst hier nach Süden gehen, dort gibt es einen Höhleneingang. Geht ein ganzes Stück hinein. Ihr werden dort Fledermäuse und Raupen finden, aber die sollten keine Probleme bereiten. Tief in der Höhle haben es sich die Freibeuter dann gemütlich gemacht. Ihr werdet sie sicher schnell anhand des Lärms finden,“ erklärte Wildzahn und zeigte dabei den Weg auf der Karte.
„Vielen Dank, Konstabler Wildzahn“, meinte Kor und packte die Karte wieder ein. „Könnt ihr mir vielleicht noch etwas über eine Person namens Lissa Blutmesser sagen?“
„Lissa Blutmesser …“, überlegte der Konstabler. „Ne, hab den Namen noch nie gehört. Aber die Namen von den Freibeutern dort merke ich mir auch nicht, die Führung wechselt alle paar Tage.“
„Danke noch mal“, sagte Kor, „dann mache ich mich jetzt wohl besser auf den Weg.“
„Immer wieder gerne“, meinte Konstabler Wildzahn, „einem Kameraden hilft man doch, wo man kann. Aber heute macht ihr euch nicht mehr auf den Weg. Es dämmert bald und ich will ein paar Neuigkeiten aus der Schwarzen Zitadelle hören. War schon viel zu lange nicht mehr dort. Und wenn mich meine zerstochene Nase nicht täuscht, verflucht seien diese blöden Mücken, tragt ihr frisches Fleisch mit euch herum oder? Das wollt ihr doch sicherlich nicht nur für euch haben?“
„Ha, ihr habt einen guten Riecher“, lachte Kor, „auf dem Weg hierher sind mir ein paar Sumpflindwürmer über den Weg gelaufen. Ein kleines Scharmützel und ich war um ein paar saftige Echsensteaks reicher.“
„Ja, den Echsen hier muss man immer wieder mal zeigen, wer hier das Sagen hat. Ich hab ein Feuer. Wenn ihr wollt, können wir das Fleisch darauf braten, dann gibt es Fleisch am Spieß“, erwiderte der Konstabler.
„Das hört sich doch gut an. Und währenddessen erzähle ich euch, was sich bei uns zu Hause so alles tut“, antwortete Kor und holte das Fleisch heraus.
Schon bald roch es verführerisch nach gegrilltem Fleisch und die Löwengarde hörte das lautstarke Gespräch zweier Charr durch die ganze Feste tönen.

Kapitel 7: Piratennest

Am nächsten Tag verabschiedete sich Kor von Konstabler Wildzahn und machte sich auf den Weg in Richtung Süden zu der Höhle, in der die Penzan-Freibeuter ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Bis auf die unendlichen Attacken der Mückenschwärme auf die empfindliche Nase des Charr verlief der Weg zur Höhle ereignislos. In der Höhle begrüßte Kor die Kühle und knurrte: „Endlich bin ich diese verdammten Mücken los, meine Nase ist schon ganz taub von den Stichen.“ Dabei massierte er sich vorsichtig seine Schnauze.
Konstabler Windzahn hatte zwar gemeint, dass es in der Höhle selber keine Abzweigungen gäbe, jedenfalls nicht bis zum Lager der Freibeuter, aber Kor markierte sicherheitshalber doch seinen Weg und zündete eine Fackel an.
Vorsichtig ging er weiter. Schon bald traten im Lichtkreis der Fackel bleiche Raupen auf, welche sich aber schnell in die schützende Dunkelheit flüchteten. Kor sah sie sich ein wenig genauer an: „Man, sind das hässliche Dinger, ich kann ja ihre Innereien sehen und die sind bleicher als ein Fell, das zu lange in der Sonne lag.“
Tiefer in der Höhle scheuchte Kor auch immer wieder Fledermäuse auf. Im Gegensatz zu den Raupen flohen diese nicht vor dem Licht, sondern griffen Kor kreischend an. Doch der machte kurzen Prozess mit ihnen. Nachdem er die fünfte Fledermaus erledigt hatte und das Blut von seinem Schwert abwusch, brummte er: „Die Echsen war ja noch eine größere Herausforderung als diese fliegenden Hautlappen … und wie weit haben sich diese Penzan-Menschen eigentlich eingegraben! Die sind doch keine Schaufler.“
Kaum hatte er das gesagt erblickte er in der Ferne einen Lichtschein, der mit jedem Schritt größer wurde, und verschiedene Geräusche drangen zu ihm. „Ha“, knurrte Kor zufrieden, „man muss nur meckern und schon klappt alles.“
Nach kurzer Zeit kam er in das Lager und schaute es sich an. Die Meute hatte in der Höhle ein ganzes Wirrwarr aus Holzhäusern und Hängebrücken aufgebaut, wobei Kor bei manchen Konstruktionen nicht sicher war, ob diese auch nur einem Windhauch standhalten würden.
Das ganze Lager war erfüllt von Lärm, überall wurde gegrölt, was die Leute hier wohl als Singen bezeichnen würden. Manche stritten sich lautstark und wiederum andere lagen betrunken in einer Ecke und hielten krampfhaft ihren Humpen fest. Überall lagen kaputte Flaschen herum oder Fässer mit Rum, verrostete Waffen und zerborstene Planken. Kor schüttelte den Kopf ob dieser Disziplinlosigkeit und versuchte unter all diesen Leuten herauszufinden, wer hier das Sagen hatte.
Als er sich vorsichtig einen Weg zwischen den Menschen, Asura und sogar ein paar Charr suchte, die ihn scheinbar überhaupt nicht beachteten, was Kor mit einem weiteren Kopfschütteln bemerkte, begannen neben ihm plötzlich zwei Freibeuter heftig miteinander zu streiten und zogen innerhalb weniger Sekunden sogar ihre Waffen. „Du diebische, verlauste, elende Bilge-Ratte! Die Pest soll dich holen!“, brüllte ein Mensch und der Asura antwortete: „Glaubt ihr, ihr wärt mir ebenbürtig?“ Dann fingen sie an sich gegenseitig anzugreifen. Andere Freibeuter sahen den Kampf und feuerten den einen oder anderen lautstark an.
Kor wollte schon weitergehen und die beiden ignorieren, aber ein verirrter Schwerthieb traf ihn leicht an der Schulter. Das reicht jetzt, dachte er wütend und mit einem Brüllen packte er je einen der Raufbolde mit seiner Pranke am Nacken und hielt die beiden in die Luft. „Was seid ihr nur für ein elendes Pack!“, brüllte er sie an. „Ihr bekämpft euch gegenseitig, sauft bis ihr tot umfallt und schmeißt euren ganzen Müll einfach irgendwo hin. Die Kleinsten in unseren Fahrars haben mehr Hirn und Disziplin als ihr alle zusammen!“ Damit ließ er die beiden einfach fallen und wandte sich an einen anderen Freibeuter, einen Norn, und sagte: „Und du sagst mir jetzt sofort, wo ich den Kapitän dieser elenden Bande finde!“ Der Norn schaute den Charr mit großen Augen an und zeigte dann in die Mitte des Lagers, auf etwas, was wie ein Podest wirkte. Kor schnaubte und ging zum Podest, wo er einen Menschen sah, der etwas feiner herausgeputzt war als der Rest.
„Ihr seid der Kapitän?“, fragte Kor. „Aye“, antwortete der und begutachtete Kor genau. „Hab gesehen, wie ihr ein paar meiner Jungs wieder ein wenig Verstand eingebläut habt. War mal wieder nötig, danke“, meinte der Kapitän. „Und was wollt ihr eigentlich hier, in diesem Palast von Luxus und guter Manier?“ Nun, immerhin kommt er gleich zur Sache. Kommt mir gelegen, hab keine Lust, hier länger als nötig zu bleiben, dachte Kor und antwortete: „Ich suche jemanden namens Lissa Blutmesser, sie soll ein Paket für mich haben, das unser Trupp für eine wichtige Operation benötigt.“ „Da ihr einen Streit für mich besänftigt habt, will ich mal nicht so sein und euch helfen. Hmm, eine Lageristin … fragt mal den Norn da drüben, Milton Moriarity. Der ist für das Lager zuständig, der weiß bestimmt, wo ihr Lissa findet“, meinte der Kapitän und zeigte auf einen Norn in der Nähe. Dann drehte er sich wieder um und sprach einfach wieder mit ein paar anderen Leuten.
Kor knurrte ob dieser Unhöflichkeit, beherrschte sich aber doch, ging zum Norn und meinte: „Ho, ich suche eine Lissa Blutmesser, ich soll bei ihr was abholen.“ „Lissa? Die ist drüben bei den Lagern und beaufsichtigt, was alles abgeholt und reingebracht wird“, antwortete der Norn mürrisch und zeigte auf ein paar Gebäude. „Und jetzt lasst mich in Ruhe, ich muss noch ein paar Geschäfte abwickeln.“ „Unhöfliches Pack“, knurrte Kor leise, als er sich auf den Weg zu den Lagern machte. Immer wieder musste er betrunkenen Leuten ausweichen und aufpassen, dass er nicht in die Scherben zerbrochener Flaschen lief.
Bei den Lagergebäuden angelangt lief ihm sofort eine junge Frau entgegen. „Hey, ihr, Charr, seid ihr von Torren geschickt worden?“, fragte sie, kaum dass sie vor Kor stand. „Ja, ich komme im Auftrag von Legionär Zermalmschwert“, antwortete Kor und fragte sich, woher diese Menschenfrau den Legionär kannte und warum sie ihn sogar beim Vornamen nannte. „Na dann, hereinspaziert in die gute Bude“, meinte die Frau und zeigte auf eine Tür. „Ich bin Lissa Blutmesser, nach mir habt ihr doch sicher gesucht. Wir haben einiges zu besprechen, mein großer, haariger Freund.“
Sie öffnete die Tür und winkte Kor hinein.

Kapitel 8: Nur eine kleine Verwechslung

Der Raum, in dem Kor jetzt stand, war zum guten Teil mit Kisten und Säcken gefüllt. Manche waren klein, in anderen Kisten würde ein Charr-Panzer genug Platz finden. Ein paar Kisten und Säcke waren auch offen und Kor konnte ein wenig der Ware sehen, die hier lagerte. Es handelte sich um ein wenig Geschmeide, ein paar Metallgestelle und ein wenig Gewürz, wenn Kors Nase ihn nicht betrog.
Zwischen all den Kisten und Säcken liefen Freibeuter herum und räumten die eine oder andere Kiste weg oder füllten leere.
Lissa führte Kor zu ein paar Stühlen um einen Tisch, setzte sich schwungvoll hin und goss sich ein Glas Rum ein. Kor wollte sich nicht setzen und blieb deswegen stehen.
„Also“, meinte Lissa, nachdem sie ein paar Schluck zu sich genommen hatte, „ihr seid derjenige, den Torren geschickt hat. Als er mir sagte, was ich für ihn besorgen sollte, konnte ich das zuerst nicht glauben. Torren meinte zwar, dass er das irgendwann einmal wirklich durchziehen wollte, aber ich habe nie geglaubt, dass dieser Tag wirklich kommen würde. Tja, da hab ich mich wohl geirrt.“ Lissa lachte laut auf.
Kor räusperte sich und die Menschenfrau wurde wieder ernst. „Ja, ja, kein Sinn für Humor und ein kleines Pläuschchen, immer nur einen Auftrag nach dem anderen, so kenne ich euch Charr, naja, bis auf die paar wenigen hier in dieser Bande.“
„Diese Charr hier sind eine Schande“, meinte Kor nur. „Also, wo ist jetzt dieses Paket?“
„Immer mit der Ruhe, immer mit der Ruhe, mein Großer. Das Paket ist da, jedenfalls theoretisch“, meinte Lissa.
„Was soll das heißen, ‚theoretisch‘?“, fragte Kor skeptisch.
„Naja, ich hab bekommen, was Torren von mir bestellt hatte, war nicht weiter schwer das zu beschaffen und es war auch hier gelagert und wartete darauf, von euch abgeholt zu werden. Aber … seht euch mal kurz um. Verdammt viele Kisten und Säcke nicht wahr? Und ich darf den ganzen Kram verwalten, da kann einem schon mal der eine oder andere Fehler unterlaufen, meint ihr nicht auch?“, meinte Lissa und schaute sich im Lager um.
„Von was für einem Fehler reden wir hier, Blutmesser?“, fragte Kor vorsichtig und ahnte nichts Gutes.
Lissa nahm noch einen Schluck Rum zu sich und schaute den Charr an: „Ihr seid von der Blut-Legion, ihr Charr seid bekannt für eure Disziplin, im Gegensatz zu diesem Haufen hier, die ihre Waffen bei jeder sich bietenden Gelegenheit ziehen, um sich zu prügeln.“
„Was für ein Fehler?“, wiederholte Kor noch einmal.
„Vor ein paar Tagen kam ein Norn vorbei, es ist ja wohl klar, dass wir noch andere … Kunden … haben, und dieser Norn hatte ebenfalls etwas bestellt. Naja, vor ein paar Tagen kam er halt an und hat seine Bestellung abgeholt“, redete Lissa weiter und schaute sich wieder im Lager um.
„Blutmesser“, knurrte Kor jetzt sichtlich ungeduldig.
Lissa seufzte und meinte dann: „Um es kurz zu machen, der Norn hatte eine Bestellung, die ähnlich groß war, wie die von Torren und, was soll ich sagen, ich hab die beiden Pakete, oder besser gesagt, die beiden Säcke vertauscht. Der Norn hat euren Sack und sein Sack steht noch hier.“ Damit zeigte sie auf einen der größeren Säcke im Lager, nahe der Tür.
Kor knurrte und packte das Heft seines Schwertes. Wie auf ein stummes Kommando standen plötzliche alle Lagerarbeiter um Kor herum und richtete ihre Waffen auf ihn.
„Holla, mein großer Freund“, meinte Lissa, stand nun auf und legte ihre Hand auf einen ihrer beiden Dolche, „immer mit der Ruhe, wir wollen hier doch kein Blutvergießen veranstalten. Ich bin sicher, ihr seid ein starker Soldat, aber auch ihr kommt sicherlich nicht gegen all die Haudegen hier an.
Lasst eure feinen Krallen von eurer schmucken Waffe, dann können wir in Ruhe dieses Problem besprechen und eine Lösung finden, die uns alle zufrieden stellt, meint ihr nicht auch?“
Kor knurrte nur, schaute sich langsam um und zählte die Freibeuter, die um ihn herum standen. Er zählte elf Personen, Lissa mit eingeschlossen. Langsam ließ er seine Waffe los. Lissa gab den anderen ein kurzes Handzeichen und der Kreis aus Schwertern, Dolchen und Pistolen senkte sich.
„Ich wusste doch, dass Charr Hirn und Disziplin haben“, sagte sie. „So, und jetzt zur Problemlösung. Ich habe schon ein wenig darüber nachgedacht und bin zum folgenden Schluss gekommen: Ich gebe euch den Namen des Norn, der euren Sack hat, und zwar kostenlos. Ich gebe euch seine Bestellung und dann könnt ihr euch auf den Weg machen und eure Bestellungen tauschen. Ich habe meine Aufträge erledigt, der Norn und ihr habt das, was ihr wolltet und alle sind lebendig und glücklich. Was sagt ihr dazu, mein großer Freund?“
„Ich sehe vor allem, dass ihr kaum etwas machen müsst, während ich euren Fehler ausmerzen darf“, antwortete Kor.
„So dürft ihr das doch nicht sehen, mein großer Freund. Seht es lieber so, ich gebe euch die wunderbare Gelegenheit zu einer kurzen Reise in die Zittergipfel mit ihren wunderschönen, schneebedeckten Bergen und ihr könnt euch die Lebensart der Norn näher ansehen“, meinte Lissa, „ein paar Tage mehr oder weniger schaden euch doch nicht und bis zum Win… ähm, bis zur Operation, dauert es ja noch ein wenig.“
„Hey, was wisst ihr von der Operation?“, fragte Kor jetzt verwundert.
„Was, ich? Rein gar nichts“, heuchelte Lissa und hob abwehrend ihre Hände. „Wenn Torren euch nichts gesagt hat, werde ich ganz bestimmt auch meinen Mund halten.
Also, seid ihr einverstanden oder müssen wir noch einmal darüber diskutieren?“
Bei diesen Worten hoben die anderen Freibeuter ihre Waffen wieder ein wenig.
Kor sah das und knurrte: „Mir bleibt ja wohl kaum etwas anderes übrig. Also, her mit dem Namen, wo ich den Norn und seine Bestellung finde.“
„Wunderbar, wenn doch nur alle Kunden so einsichtig wären wie ihr, mein großer Freund. Also, der Norn, nach dem ihr sucht, hört auf den Namen Guthmarr und lebt auf Afgars Gehöft an Lornars Pass“, antwortete Lissa.
Kor stöhnte. „Ach, habt euch nicht so, es könnte schlimmer sein. Die Schneekuhlenhöhen oder der Eisklamm-Sund hätten es auch sein können. Afgars Gehöft ist doch quasi um die Ecke“, meinte Lissa zwinkernd und nahm wieder einen Schluck Rum zu sich. „Wollt ihr nicht auch ein Glas?“, fragte sie den Charr. „Auf ein erfolgreiches Geschäft sollte man immer trinken.“
„Lasst mich in Ruhe mit diesem Zeugs“, meinte Kor, schnappte sich den Sack und wuchtete ihn sich auf den Rücken. „Was ist denn da drin? Man, ist der schwer“, knurrte er und ging aus dem Lagergebäude, „ich verschwinde aus diesem Rattenloch. Betet zu euren Göttern, dass wir uns so schnell nicht wiedersehen.“
„Oh, die Welt ist klein, mein großer Freund, man sieht sich sicherlich früher als gedacht wieder“, meinte Lissa lachend und winkte dem Charr zum Abschied zu.

Kapitel 9: Und die Reise geht weiter

Auf dem Weg zurück zum Eingang der Höhle fluchte Kor unentwegt über das Gespräch, über den Sack, über jeden kleinen Stein, der sich ihm in den Weg legte. Er fluchte über die Dunkelheit der Höhle, über Lissa … einfach über alles, was ihm gerade in den Sinn kam. „‚Ein einfacher Botengang ist es ja nur.‘ ‚Du musst nur ein Paket abholen und zur Schwarzen Zitadelle bringen, ist ja nicht weiter schwer …‘ Pah, von wegen. Dem nächsten, der mir einen Botengang aufbrummen will, stopfe ich den Befehl in sein Maul“, knurrte er den ganzen Weg zurück zu Moriaritys Feste. Da war es für ihn auch kein Trost, dass ihn keine Fledermäuse oder Raupen nervten, die er ja auf dem Hinweg schon alle beseitigt hatte.

Am frühen Nachmittag kam Kor wieder an der Feste an. Konstabler Wildzahn erwartete ihn schon: „Scheint ja alles nach Plan gelaufen zu sein. Ihr habt eure Bestellung und dem Mangel an Blut auf eurer Rüstung nach zu urteilen habt ihr die Leute dort auch am Leben gelassen.“ „Von wegen“, meinte Kor, „diese verdammte Blutmesser hat mein Paket mit dem eines Norn verwechselt und jetzt darf ich ihm seine eigentliche Bestellung bringen, um mein eigenes Paket zu erhalten.“
„Hmm, das ist dann allerdings nicht gerade gut gelaufen. Wo soll es denn jetzt hingehen?“, fragte Wildzahn. „Zu einem Typen namens Afgar am Lornars Pass, bei dem soll der Norn mit meinem Paket arbeiten“, antwortete Kor. Wildzahn erwiderte: „Lornars Pass, nun, es hätte euch auch schlimmer treffen können. Der Eisklamm-Sund zum Beispiel oder …“ Kor fauchte: „Ja, ja, ich darf mich glücklich schätzen, die unvergleichliche Schönheit der Zittergipfel sehen zu können. Das hat diese Blutmesser auch gesagt. Die Zittergipfel sind mir vollkommen egal, ich will nur dieses vermaledeite Paket abgeben!“
„Nun, der Pfad zu Lornars Pass sollte frei sein, wenn ihr jetzt noch loslauft, solltet ihr bis zum Einbruch der Dunkelheit auf der anderen Seite angelangt sein“, meinte Konstabler Wildzahn.
„Aye, das hatte ich vor“, antwortete Kor und schulterte den Sack wieder.
„Dann viel Glück auf eurem Weg und haut alles nieder, was sich euch in den Weg stellt“, meinte Konstabler Wildzahn und klopfte Kor auf die freie Schulter.
Damit verabschiedeten sich die beiden Charr voneinander und Kor ging in Richtung Lornars Pass.


Der Weg über den Pfad verlief ohne weitere Probleme, auch wenn Kor immer wieder Pausen einlegen musste, weil der Sack mit der Zeit doch recht schwer wurde. Doch zum Glück lag hier kaum Schnee, auch wenn der Pfad gut an Höhe gewann. Die warmen Winde von der Blutstrom-Küste verhinderten, dass sich der Schnee hier türmte.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte Kor den Pfad überquert und war in Lornars Pass angelangt.
Das Wetter hier war deutlich kühler als in der Blutstrom-Küste, aber das störte Kor nicht wirklich. Er sah sich um und erkannt rechts von ihm in kurzer Entfernung ein paar Lichter. Ohne lange nachzudenken, ging Kor auf diese zu. Schon nach einigen Metern erkannte er hohe Geräte, die sich aus der Dunkelheit herausschälten, und viele Holzstümpfe in der näheren Umgebung. Nach ein paar weiteren Schritten hörte er leises Gemurmel aus dem Lager und erkannte ein paar Gestalten im Licht eines Lagerfeuers, welche herumliefen oder saßen.
„Ho“, rief Kor laut, „ist beim Feuer noch ein Platz frei?“ Die Gestalten blieben überrascht stehen oder standen schnell auf, und eine von ihnen lief auf Kor zu. „Unterkonstabler Bahe“, stellte sie sich vor, als sie vor dem Charr stand. „Was führt euch zu Olias Lichtung?“
„Guten Abend, Unterkonstabler Bahe, ich bin nur auf der Durchreise zu Afgars Gehöft und soll dort etwas eintauschen“, antwortete Kor und hob ein wenig den Sack, den er noch über seine Schulter geworfen hatte. „Ein Charr als Lieferjunge?“, fragte Bahe. „Glaubt mir“, knurrte Kor, „das war nicht meine Entscheidung.“
„Nun, wie dem auch sei, ihr seid herzlich willkommen bei uns, wenn euch ein paar Holzspäne im Hintern nicht stören“, antwortete Bahe. Sie drehte sich um und rief: „Leute, macht mal ein bisschen Platz am Feuer, wir bekommen Besuch!“ Dann lief sie mit Kor zusammen zum Feuer.

Jetzt erkannte der Charr auch, worum es sich bei diesem Lager wirklich handelte. „Ah, das ist ein Holzfällerlager. Erklärt die großen Geräte und die ganzen Baumstümpfe.“
„Aye, wir liefern Holz an Löwenstein und an die Marschwacht-Freistatt und an ein paar Gehöfte im Osten. Auch wenn es uns die Piraten nicht gerade leicht machen“, antwortete der Unterkonstabler. „Von der Marschwacht-Freistatt komme ich“, meinte Kor.
„Das dachte ich mir, ihr seid bestimmt über den Pfad von der Freistatt hierher gekommen, oder? Wie geht es meinen Kollegen dort denn so?“, fragte Bahe. „Ach, soweit so gut, ich glaube deren größte Sorge sind die ganzen Mücken, die ihnen das Blut aussaugen wollen“, antwortete der Charr.
Dann waren sie am Lagerfeuer angelangt und Kor setzte seinen Sack ab. Er setzte sich und schaute sich die Männer und Frauen in der Runde an. Der größte Teil von ihnen war Menschen, aber ein oder zwei Norn und Charr sah er ebenfalls. Und alle hatten sie muskelbepackte Arme und eine Axt griffbereit in ihrer Nähe liegen.
„Ihr erwähntet vorhin etwas von Piraten“, meinte Kor, „aber wenn ich mir die Leute hier so ansehe, glaube ich kaum, dass die ein wirkliches Problem darstellen.“ Die Leute lachten und Bahe meinte: „Oh, hierher kommen die Piraten auch nicht, so dumm sind sie nicht. Aber Holzlieferungen mit den Dolyaks sind schon anfälliger und dort greifen sie dann an. Wir können nicht jede Lieferung mit einer Eskorte von zehn Leuten ausstatten, dann hätten wir hier niemanden mehr, der Holz schlägt. Aber Verluste gibt es immer, und solange wir mehr liefern, als wir verlieren, kommen wir schon klar“, meinte Unterkonstabler Bahe und zuckte die Schultern. „Aye, das Leben ist hart“, erwiderte Kor.
„Ihr sagtet, ihr wollt zu Afgars Gehöft?“, fragte Bahe. „Richtig, ich muss dort ein … kleines Missverständnis aufklären“, antwortete Kor. Dann holte er seine Karte heraus und fragte: „Ich kenne mich in dieser Gegend nicht sehr gut aus, wie komme ich am schnellsten zu diesem Gehöft?“
Bahe studierte die Karte ein wenig und zeigte dann auf eine Stelle. „Hier sind wir gerade, Olias Lichtung, dort ist Afgars Gehöft. Am besten wäre es, wenn ihr dieser Straße folgt bis zum Felsennest, ein Vorposten der Abtei. Von dort aus geht ihr Richtung Norden und folgt dort der Straße wieder. Ihr solltet dann direkt bei Afgar vorbeikommen.“ Während der Erklärung folgte ein Finger Bahes ein paar Linien auf der Karte bis zu einem Punkt mitten in Lornars Pass.
„Sieht gar nicht so weit aus“, meinte Kor. „Oh, ein kleines Stück ist das schon, aber relativ einfach zu bewältigen“, erwiderte der Unterkonstabler, „die Wildtiere hier in der Gegend sind noch die größte Gefahr. Erst bei Afgars Gehöft solltet ihr wieder vorsichtiger sein. Ich habe gehört, dass Dampfwesen dort immer wieder ihr Unwesen treiben sollen, aber Genaueres weiß ich nicht.“
„Hmm, danke für die Warnung“, meinte Kor und packte die Karte wieder ein.
Kor und die Holzfäller redeten noch ein wenig miteinander, aber da alle müde waren, entweder von der Überquerung nach Lornars Pass oder vom Fällen und Schleppen, legten sich schon bald alle zum Schlafen hin.

Kapitel 10: Ein geborener Künstler

Am nächsten Morgen, nach einem herzhaften Frühstück, machte sich Kor wieder auf den Weg. Wie von Unterkonstabler Bahe vorgeschlagen ging er zuerst in Richtung Osten zum Felsennest, dem Vorposten der Abtei.
Der Weg führte stetig bergauf, war aber ansonsten recht langweilig. Die Gegend war von den Holzfällern ziemlich kahl geschlagen, nur hier und dort hatten sie noch einen einzelnen Baum stehen gelassen. In einiger Entfernung sah man ein paar Dolyaks grasen und einige Wespen ihre Runden drehen. Kor ließen sie jedoch in Ruhe, was ihm ganz recht war.


So erreichte der Charr das Abtei-Lager am späten Vormittag. Schon von Weitem sah man das emsige Treiben im Lager. Abtei-Exploratoren, -Arkanisten und -Gelehrte liefen hin und her, überall lagen merkwürdige Gerätschaften herum, es wurde laut debattiert oder über irgendwelchen Plänen gebrütet. Kor fühlte sich unter all diesen Leuten etwas unwohl, aber er musste ja auch nicht hier bleiben.
Langsam ging er durch das Lager und passte auf, dass er keines der Geräte, welche an jeder Ecke herumlagen, berührte und versuchte, auch allen Leuten auszuweichen. Die meisten schauten den Charr nur kurz an, wenn sie an ihm vorbeiliefen, und gingen dann wieder ihrer Arbeit nach. Ein paar beobachteten ihn jedoch etwas genauer und beäugten ihn vorsichtig, als Kor mit seinem Sack gefährlich nah an eine summende Kugel oder lose Kabel kam.
Kor tappte gerade an einem weiteren merkwürdigen Gerät vorbei – ein Gestell aus Stangen und Schaufeln mit vielen Lichtern und Knöpfen –, als zwei Arkanisten auf ihn zu liefen: ein Nornmann und eine Menschenfrau.
„Nun, es ist recht eindeutig, dass ihr nicht zu diesem Lager gehört und auch sonst nicht allzu viel mit der Abtei zutun habt“, meinte die weibliche Arkanistin.
„Ha, aber er gibt sich eifrig Mühe, hier nichts kaputt zu machen. Übrigens, das hier ist Abtei-Arkanistin Madelia und ich selber heiße Fridmund “, sagte der Nornmann und klopfte Kor auf die Schulter. „Also, was führt einen Charr, dem Abzeichen nach von der Blut-Legion, hier in unser bescheidenes Lager?“
„Ich heiße Kor und bin eigentlich nur auf der Durchreise, ich muss zu Afgars Gehöft und dort etwas abliefern“, antwortete Kor.
„Afgars Gehöft?“, fragte Madelia, „da solltet ihr aufpassen, Dampfwesen marodieren dort immer wieder gerne herum.“
„Ja, hab davon auf Olias Lichtung schon ein wenig gehört“, meinte Kor.
„Ja, die Dampfwesen, welche am See der Wehklagen leben, versuchen immer wieder, ihr Gebiet zu erweitern und Afgars Gehöft scheint eines ihrer Hauptziele zu sein. Warum die Leute da nicht wegziehen verstehe ich einfach nicht“, meinte die Arkanistin und schüttelte den Kopf.
„Ach, ich kann die Leute dort voll und ganz verstehen“, antwortete der Norn, „gerade weil die Dampfwesen dort immer wieder auftauchen, macht es doch Spaß, dort zu leben. Wird nie langweilig dort und man bleibt gut in Form.“ Dann lachte er herzhaft. Die Frau schüttelte nur weiterhin ihren Kopf.
Fridmund schüttelte Kor die Hand und meinte dann: „Also denn, gute Weiterreise und grüßt Afgar von mir.“ „Das werde ich machen“, antwortete Kor und wandte sich nach Norden.

Im Gegensatz zum Weg von Olias Lichtung zum Felsennest ging es nun für Kor wieder bergab, jedoch nur leicht. Während der Charr den Weg entlanglief, schaute er sich die Umgebung an. Weißer Schnee umgab ihn auf beiden Seiten, am Wegrand ziemlich festgetreten, weiter entfernt jedoch noch unberührt und locker liegend. Links konnte er in ein Tal hinabsehen. Nachdem Kor die Karte zu Hilfe genommen hatte, wusste er auch wie dieses Tal hieß: Brockenmund-Tal. Zu seiner Rechten sah er kleine Berge und Felsvorsprünge und in der Ferne vor sich immense Gebirge und Gipfel, deren Spitzen teilweise in den Wolken verschwanden. Dieser Anblick beeindruckte Kor schon etwas und er kam sich im Vergleich zu den wolkenumtosten Gipfeln unwichtig und klein vor.
Immer wieder schaute sich Kor um und suchte nach weiteren Wanderern, doch war er scheinbar der einzige, der diesen Weg zu dieser Zeit nahm. Irgendwann wandte der Charr sich vom Weg ab und ging auf das offene Feld, wo er hin- und herlief. Dabei blickte er immer wieder nach hinten und sah sich die Spuren an, die er hinterlassen hatte, und grinste dann. Auch wenn er den Botengang so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte, ein klein wenig Spaß wollte er sich dennoch gönnen.
Die Muster, die er in den Schnee lief, waren zwar nicht die schönsten, aber mit ein wenig Fantasie konnte man sicherlich das eine oder andere erkennen, war Kor der Meinung. Er schaute sich sein Werk an und glaubte, so etwas wie einen Panzer auf Kufen zu erkennen.
Gut gelaunt ging er wieder zurück auf den Weg, um endlich den Sack abzuliefern.
Nach einer Weile wurden die Gipfel höher und die Felsen rückten immer näher an den Weg heran. Kor merkte, dass er bald Afgars Gehöft erreicht haben müsste, und beschleunigte noch einmal sein Tempo. Am späten Nachmittag sah er dann endlich das Langhaus des Norn und schnaubte zufrieden: „Endlich angekommen.“

Kapitel 11: Feiern kann man immer

„Ho“, rief Kor, als er in Rufweite war. „Jemand namens Guthmarr da? Ich habe etwas mit ihm zu besprechen.“ Aus dem Langhaus schauten ein paar Köpfe heraus und ein paar Norn, welche draußen arbeiteten, drehten ihre Köpfe in Kors Richtung. Dann gingen zwei von ihnen auf den Charr zu.
Bei ihm angekommen sagte der eine: „Guten Tag, Charr, ich bin Afgar und das ist mein Land hier. Seid willkommen in meinem Haus, trinkt und esst, wenn euch danach ist.“ Dann zeigte er auf den anderen Norn, der Kor grüßte: „Das ist der Norn, nach dem ihr sucht. Ich hoffe, ihr sucht keinen Streit, denn dann muss ich euch doch zurückweisen. Guthmarr ist ein Gast bei mir und genießt hohes Ansehen.“
Kor grüßte die beiden: „Kor Zermalmkralle ist mein Name, Soldat der Blut-Legion im Zermalmer-Trupp. Ich bin im Auftrag meines Tribuns unterwegs und sollte ein Paket abholen. Leider gab es wohl eine Verwechselung und so hat Guthmarr mein Paket und ich seines erhalten.“ Damit zeigte er auf den Sack auf seinem Rücken.
Freudig klatschte Guthmarr in die Hände. „Ah, wunderbar, dann ist das also meine Bestellung! Und ich dachte schon, diese Blutmesser hätte mich einfach nur übers Ohr gehauen. Ha, wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist“, lachte Guthmarr und ging in Richtung Langhaus. Kor sah dem Norn verständnislos hinterher und schaute dann Afgar an. Der lachte auch nur laut und ging dann Guthmarr hinterher. Schulterzuckend folgte Kor den beiden.

Beim Langhaus angekommen hatte Guthmarr schon ein Fass aufgemacht und trank Bier aus einem großen Humpen. Er prostete dem Charr zu, als dieser das Haus betrat und sagte: „Ein Hoch auf diesen Charr, Retter der Zukunft und …“ Plötzlich wurde er von einem ohrenbetäubenden metallischen Brüllen unterbrochen, das ganz aus der Nähe kam.
Fluchend kippte Guthmarr den Rest seines Bier hinunter und schnappte sich dann eine Axt.
„Da haben wir wohl ein paar ungeladene Gäste, die ebenfalls mitfeiern wollen“, rief Afgar und nahm, wie Guthmarr, ebenfalls eine Axt zur Hand. „Zeigen wir ihnen, was wir davon halten und dann feiern wir weiter!“, rief er und stürmte mit den anderen Norn hinaus.
Kor, immer noch vollkommen verwirrt, spürte, dass sich eine Schlacht anbahnte und mit einem Mal waren all seine Sinne geschärft und er stürmte mit gezogenen Waffen den anderen hinterher.


Draußen angekommen sah er sich merkwürdigen Wesen gegenüberstehen. Sie waren groß, bestanden ganz aus Metall, bewegten sich jedoch wie Tiere und stießen überall aus ihren Körpern Dampf aus. Das müssen wohl diese Dampfwesen sein, dachte Kor. Könnte ein interessanter Kampf werden. Hatte schon lange keinen richtigen Kampf mehr. Das Scharmützel mit den Echsen zähl’ ich mal nicht dazu, die konnte man ja kaum als Gegner bezeichnen.
Kor knurrte laut, lief auf die Dampfwesen zu und rief: „Dann zeigt mal, was ihr so könnt, ihr wandelnden Schrotthaufen, und lasst den Charr hier ein wenig Spaß haben!“ Die anderen Norn stimmten in den Ruf von Kor ein und zusammen drangen sie auf die Dampfwesen ein.
Nach den ersten paar Paraden musste Kor feststellen, dass die Hiebe der Dampfwesen ziemlich kräftig waren, und auch ihre Sturmattacken waren stark. Er beschränkte sich deswegen darauf, den Hieben auszuweichen und dann auf die Gelenke und Rücken einzuschlagen, wo die Kreaturen anscheinend besonders verletzlich waren. Die Norn nutzten dieselbe Taktik, wobei sie dazu auch noch sangen und die Dampfwesen fleißig verspotteten.
Der Kampf war kurz, aber heftig und nach ein paar Minuten waren die Dampfwesen nur noch ein Haufen Altmetall, der im zertrampelten Schnee herumlag.


Kor und die anderen Norn schnaubten nach dem Kampf vor Anstrengung. Während einige den Platz vor dem Gehöft aufräumten, gingen die anderen in das Haus und ließen sich ihre Schnitte verarzten. Da Kor keine Ahnung hatte, wo das Metall hin sollte, ging er ebenfalls ins Haus. Dort klopften ihm ein paar Norn auf die Schulter und Afgar meinte: „Gut gekämpft, Charr, ist immer wieder erfrischend, euren wilden Kampfstil zu beobachten. Diese Dampfwesen greifen uns immer wieder an und lernen nie dazu. Und wir sind immer hier und schlagen ihnen ein ums andere Mal ihre schicken Metallschädel ein. So muss das Leben doch sein: Fleisch, Bier und ein paar Raufereien.“
„Aye“, meinte Kor, „diese Schlägerei hat gut getan, ist mal was anderen als immer nur auf Geister einzuschlagen.“ Dann wandte er sich an Guthmarr, der schon wieder einen Humpen Bier in der Hand hatte und sagte: „Ho, bevor ihr mit eurer Feier weitermacht, wollte ich gerne unsere Säcke tauschen.“
„Nicht so schnell, mein wilder Freund“, antwortete Guthmarr. „Nach einem Kampf muss gefeiert werden, dann kommt alles andere. Hier, trinkt aus!“ Damit drückte er dem Charr einen vollen Humpen Bier in seine Tatzen.
„Hey, ich bin nicht hier, um zu feiern, und außerdem bin ich im Dienst“, protestierte Kor. „Papperlapapp“, meinte Guthmarr. „Dienst hin oder her, für Bier ist immer Zeit und jetzt runter damit!“ Damit stieß er an Kors Humpen an und kippte den Inhalt seines eigenen hinunter. Dann schaute er Kor eindringlich an. Der fühlte sich unter dessen Blick etwas unbehaglich, schaute sich um und sah, dass alle anderen Norn ihn ebenfalls beobachteten.
Kor seufzte und meinte: „Na gut, aber nur dieser eine“, und trank den Humpen in ein paar Zügen leer. Die Norn jubelten und hoben ihre Humpen ebenfalls und ehe sich Kor versah, war sein Humpen wieder gefüllt und er musste wieder trinken.


So ging das den ganzen Abend über, die Norn und der Charr tranken ein Bier nach dem anderen, priesen ihre Taten und jubelten ihren Mitstreitern zu. Es wurden Geschichten erzählt, Kräfte im Armdrücken gemessen und gesungen und getanzt. Am späten Abend ließ Kor sich sogar überreden, selber zu tanzen, und er gab ein paar Tanzbewegungen zum Besten, die es in sich hatten. Die Norn jubelten, prosteten ihm zu und feierten noch ausgelassener.
Irgendwann in der Nacht ging die Feier zu Ende und alle Beteiligten verkrochen sich in ein Bett oder eine Ecke, um ihren Rausch auszuschlafen. Auch Kor zog sich in eine Ecke zurück und rollte sich gemütlich zum Schlafen ein.

Kapitel 12: Wem die Zukunft gehört

Am nächsten Tag wachte Kor mit einem Kopf auf, der mindestens viermal so groß war wie vor der Feier. Jedes Geräusch hämmerte ohrenbetäubend seinen Namen in Kors Schädel und die Sonne hatte sich wohl entschieden, den neuen Tag direkt vor seinen Augen begrüßen zu müssen. Mit einem unverständlichen Gebrummel versuchte er, eine etwas weniger ungemütliche Position zu finden, und hoffte auf ein Wunder, das die Sonne und das dröhnende Fallen des Schnees für immer verschwinden lassen würde.
Stattdessen bekam er einen dampfenden Becher vor seine Schnauze gesetzt. Kor schnupperte leicht daran und verzog das Gesicht. Es roch nach Kräutern und – was noch widerlicher war – nach Bier.
„Hier, trinkt das, mein wilder Freund, das wird euch gut tun, glaubt mir.“ Der Norn schien ihm diese Worte direkt ins Ohr zu brüllen und Kor fauchte ungehalten.
„Ich werde hier so lange stehen und mit euch reden, bis ihr diesen Becher geleert habt, eure Entscheidung“, brüllte ihm die Stimme wieder in sein Ohr.
Kor überlegte kurz, was seine Kopfschmerzen noch weiter anfachte, und entschied dann, dass ein Becher Kräuterbier oder was auch immer das war nur besser sein konnte als diese Stimme, die ihn niederbrüllen wollte. Mühsam nahm er den Becher in eine Klaue und schlürfte den Inhalt langsam. Schon nach den ersten paar Schlucken merkte er, dass die Kopfschmerzen schwächer wurden und er sich etwas besser zu fühlen begann. Nachdem er den Becher geleert hatte, war sein Kopf vielleicht nur noch doppelt so groß wie vorher, die Sonne saß nicht mehr direkt vor seinen Augen und das Geräusch des fallenden Schnees hatte sich auf den Geräuschpegel eines reißenden Stromes verringert.
Der Norn, Kor erkannte jetzt, dass es sich um Afgar handelte, nahm den leeren Becher und meinte noch: „Bis zum Nachmittag sollte ihr wieder halbwegs in Ordnung sein. Das Bier ist für andere Rassen als uns Norn ganz schön heftig und ihr habt gestern ordentlich zugelangt.“ Er lachte leise, für Kor jedoch so laut wie eine Charrzooka, und kümmerte sich um die anderen Gäste. Diese hatten weitaus weniger Probleme als Kor und halfen kurze Zeit später beim Aufräumen des Langhauses.


Am Nachmittag ging es Kor, wie versprochen, wieder so gut, dass er laufen und reden konnte. Der Kopf hämmerte zwar immer noch, aber es war nun auszuhalten und wurde zunehmend schwächer.
„Ich schwöre: ich werde nie wieder mit einem Norn feiern“, brummte Kor. „Da kämpfe ich lieber allein gegen Hundert Geister, da habe ich höhere Überlebenschancen.“
„Ach, das war doch nur eine kleine Feier, auch wenn am Ende doch etwas mehr Bier geflossen ist, als gedacht“, lachte Afgar. „Übrigens, Guthmarr wollte sich noch bei euch bedanken, dass ihr ihm seine Lieferung gebracht habt“, setzte er noch hinzu und zeigte auf den Norn, der draußen vor dem Eingang stand.
Kor ging zu ihm und schaute sich die Berge ringsum und den Schnee vor sich an.
„Danke nochmals, dass ihr mir den Sack geliefert habt“, meinte Guthmarr. „Euch ist das vielleicht nicht klar, aber ihr habt die Zukunft gerettet, mein Freund.“ „Das sagtet ihr schon einmal“, antwortete Kor. „Was meintet ihr damit?“
„Die Zukunft, nun ja, zumindest meine“, lachte der Norn. „Wisst ihr, was in dem Sack drin ist, was ihr da den weiten Weg hergeschleppt habt?“, fragte er.
„Nein, geht mich auch nichts an“, meinte der Charr.
„Und ob euch das etwas angeht, Charr. Ich sage euch, was in dem Sack ist“, erwiderte Guthmarr. „In diesem Sack sind …“, er machte eine große Pause, „Tintenfässer! Viele Tintenfässer, Dutzende und voll gefüllt mit Tinte.“ Guthmarr strahlte den Charr neben sich an und wartete auf seine Reaktion.
Kor wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er war auf vieles gefasst gewesen, aber nicht auf … Tintenfässer. „Ähm, ein Hurra auf die Tintenfässer?“, fragte er vorsichtig.
„Ein Hurra auf die Tintenfässer, ihr habt es erfasst!“, rief Guthmarr freudig aus und klopfte dem Charr kräftig auf die Schulter.
„Ich fürchte, ich komme nicht ganz mit“, antwortete Kor.
„Ha, dann werde ich es euch erklären“, meinte der Norn. „Also, wir sind hier in Lornars Pass, richtig? Und hier hat die Abtei Durmand ihren Hauptstützpunkt. Die Abtei Durmand, das sind Exploratoren, Arkanisten und so, aber das wisst ihr ja sicherlich. Nun, und was tun die den ganzen Tag?“, fragte der Norn.
„Ähm, Dinge ausgraben und irgendwelche komischen Sachen erfinden, die dann doch nicht funktionieren?“, riet Kor vorsichtig.
„Richtig – und sie schreiben. Sie schreiben alles auf, was sie finden oder nicht finden“, antwortete Guthmarr. „Und genau hier komme ich dann ins Spiel. Wie ich schon sagte, sind wir hier in Lornars Pass und es ist kalt, wie ihr sicherlich schon bemerkt habt.“
„Ähm, ja“, erwiderte Kor, „habe den Schnee und die Eiszapfen bemerkt.“
„Ganz genau, Schnee und Eis. Was für ein Problem haben die Leute der Abtei Durmand also hier?“, fragte Guthmarr und beantwortete seine Frage sofort selber. „Es ist die Kälte! Die Kälte friert alles zu, also auch ihre Tinte, die sie zum Schreiben brauchen. Mit gefrorener Tinte kann man aber nichts aufschreiben und dann bin ich da. Ich verkaufe ihnen die nötige Tinte, dass sie wieder schreiben können. Aber nach einiger Zeit friert die Tinte ja wieder zu und dann müssen die Wissenschaftler wieder zu mir kommen und neue Tinte kaufen.
Ich verkaufe Tintenfässer mit Tinte hier in Lornars Pass und werde dadurch in kürzester Zeit reich. Eine tolle Idee oder? Und vor mir ist noch keiner auf sie gekommen! Da heißt es, nur Asura oder ihr Charr habt die besten Ideen. Aber wir Norn können das genauso gut, meint ihr nicht auch?“
„Ähm …“, stammelte Kor, „richtig, auf diese Idee sind wir oder die Asura allerdings noch nicht gekommen.“
Innerlich schüttelte Kor seinen Kopf. Allein beim Anhören dieser sogenannten „Idee“ fand er schon ein halbes Dutzend Lücken und Fehler und wenn er nur ein paar Minuten genauer darüber nachdachte, würde er sicherlich noch drei weitere Dutzend finden.
Aber Kor wollte den Norn nicht beleidigen oder vor den Kopf stoßen, also meinte er nur: „Eine … ähm, tolle Idee, die ihr da habt, wirklich. Ausgeklügelter Plan und so, ja … Mir ist jedoch eine Sache noch nicht so ganz klar, das könnt ihr mir sicherlich erklären. Wenn den Exploratoren die Tinte gefriert, gefriert sie euch nicht auch hier?“
„Eine gute Frage, die ihr stellt. Man merkt, dass ihr nicht auf den Kopf gefallen seid“, antwortete Guthmarr, „aber auch dafür habe ich eine Lösung gefunden.
Ich werde die Tintenfässer hier verkaufen, in diesem Langhaus, wo es warm ist und die Tinte nicht gefrieren wird. Die perfekte Lösung, oder? Damit habe ich das Problem des Gefrierens gelöst, habe zugleich einen Ort gefunden, wo ich meine Tintenfässer verkaufen kann und die Abtei weiß immer, wo sie Nachschub finden kann.“
„Diese Lösung ist wirklich … ähm, brillant“, meinte Kor und schaute sich das Langhaus an. Vollgepackt mit Möbeln und Fässern und Bratspießen und dann fielen ihm noch die Überfälle der Dampfwesen ein, die anscheinend regelmäßig stattfanden, und schüttelte leicht den Kopf.
„Nun, Charr, ich habe mir gerade überlegt, ob ihr nicht Teil dieser Idee der Zukunft werden wollt. Ihr könntet doch die Tintenfässer hierher transportieren. Blutmesser wird sie besorgen und ihr tragt sie hierher. Ich kann es ja nicht selber machen, da ich ja dann beim Verkauf bin“, meinte Guthmarr und schaute Kor erwartungsvoll an.
„Ich fühle mich geehrt, dass ihr mich als Partner wolltet für eure … äh, Geschäftsidee, aber ich muss leider ablehnen. Ihr wisst ja, wir Charr haben unsere Trupps und die stehen bei uns an erster Stelle. Der Trupp ist unsere Familie und unsere Pflicht besteht darin, ihr zu dienen. Deswegen muss ich, so dankbar ich auch bin, dass ihr mich gefragt habt, ablehnen“, meinte Kor.
„Ich verstehe euch, Freund Charr. Familie und Freunde sind wichtig. Es ist schade, aber da kann man wohl nichts machen. Aber merkt euch, wenn ihr es euch doch nochmal überlegt, ich werde euch gerne als Angestellten aufnehmen. Ihr müsst nur zu mir kommen“, antwortete Guthmarr und klopfte Kor wieder auf die Schulter.
„Ja, danke, ich werde das nicht vergessen“, erwiderte Kor. „Wo wir gerade von Pflicht reden, ich muss ja noch einen Sack abholen“, erinnerte er sich.
„Ah, der Sack mit eurem Inhalt“, meinte der Norn, „nun kommt wieder rein und dann reden wir darüber.“ Damit stapfte Guthmarr wieder in das Langhaus und Kor folgte ihm.

Kapitel 13: Aus eins wird zwei

Guthmarr ging zum Kamin, nahm sich einen Bratspieß, der dort hing und biss genüsslich hinein. Dann wandte er sich an Kor und meinte: „Als ich gemerkt habe, dass in dem Sack nicht meine bestellten Tintenfässer waren, dachte ich, dass Blutmesser einen Fehler gemacht hatte. Ich dachte mir, dass der Verkauf eures Sackes zwar nicht so viel einbringen würde, wie meine Idee, aber er brächte immerhin etwas ein und so hab ich den Sack eben verkauft.“
Kor starrte ihn nur mit offenem Maul an und konnte erst einmal gar nichts sagen. Nach einer Minute meinte er dann leise: „Also, ist der Sack weg und ich kann den Auftrag nicht erledigen und habe den ganzen Weg bis hierher umsonst gemacht?“
Guthmarr klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter: „Keine Reise ist umsonst, mein wilder Freund, man lernt immer etwas dabei.“ Unwirsch knurrte Kor wütend: „Was bringt es mir, schneebedeckte Berge gesehen zu haben, mich mit einem Pack Piraten gestritten zu haben oder als Klettergerüst für irgendwelche Kinder hergehalten haben zu müssen, wenn mein Trupp erfährt, dass ich nicht mal einen einfachen Botengang zu Ende bringen kann!“
„Ho, mein Freund, immer mit der Ruhe“, antwortete der Norn, „es gibt sicherlich eine Lösung. Wisst ihr was, ihr habt uns bei den Dampfwesen geholfen, habt mit uns gefeiert und habt mir meine Tintenfässer gebracht. Ich kann euch zwar euren Sack nicht wiederbeschaffen, aber ich kann euch sagen, an wen ich den Inhalt verkauft habe. Das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann.“
Kors Schultern sackten nach unten und er meinte resignierend: „Also, wem darf ich jetzt hinterherjagen?“
„Ehrlich gesagt, sind es sogar zwei Leute, die ihr aufsuchen müsst. Einen Teil eures Sacks habe ich an einen Asura verkauft, den anderen Teil an eine Sylvari“, erwiderte Guthmarr. „Großartig!“, knurrte Kor.
„Von der Sylvari weiß ich nicht sehr viel, nur, dass sie gerne einen Teil des Inhalts haben wollte, als sie ihn sah. Sie hieß Laubirth und, hmm … ah, ich glaube, sie redete davon, auf einem Markt das Zeug wieder verkaufen zu wollen. Malbon, Mardon, Maidorn … irgendwie so hieß der Markt“, sagte Guthmarr.
Kor zog seine Karte heraus und schaute sich die Gegend an, wo die Sylvari zu Hause waren, und suchte nach einem Ort, der so ähnlich hieß, wie Guthmarr es gesagt hatte. Nach einer Weile glaubte er den Ort gefunden zu haben. „Ich glaube, ihr meint den Mabon-Markt oder?“ „Ja, ja, genau, so hieß der Ort, von dem sie geredet hat“, meinte der Norn nickend.
„Und was ist mit dem Asura?“, fragte Kor.
„Ha, der ist ein alter Bekannter von mir, Flimm heißt der Kleine. Netter Kerl und er macht hervorragendes Essen. Seine Greifen-Ei-Omeletts sind köstlich und die glasierten Pfirsichtorten sind einfach ein Traum“, meinte Guthmarr bewundernd.
„Ist ja sehr schön, aber wo finde ich den kleinen Koch?“, fragte Kor ungeduldig.
„Flimm arbeitet im Desider Atum, in der Provinz Metrica“, antwortete Guthmarr und zeigte Kor die Stelle auf seiner Karte.
„Wunderbar, jetzt darf auch noch in den Caledon-Wald und in die Provinz Metrica und muss hoffen, dass die beiden den Inhalt des Sacks nicht schon für irgendetwas anderes genutzt haben“, knurrte der Charr missgelaunt.
„Wenn ihr sofort aufbrecht, könntet ihr die Sylvari noch treffen, bevor sie den Markt erreicht. Sie ist erst gestern früh abgereist und was Flimm angeht, ich glaube, der wird den Inhalt noch ein wenig behalten, schließlich steht bald eien große Feier an und da würde dieses Zeug bestimmt wunderbar passen“, antwortete Guthmarr.


Kor überlegte: „Also gut, wenn der Asura seinen Teil des Sacks noch behält für seine große Fete, muss ich zuerst die Sylvari finden, bevor sie den Sack verkauft.“ Er blickte wieder auf seine Karte und schaute sich mögliche Routen zum Mabon-Markt an.
„Hmm, ich glaube der Weg über die Abtei Durmand ist kürzer, da gibt es anscheinend eine Verbindung nach Löwenstein, von dort dann in Richtung Hain und dann nach Norden zum Mabon-Markt … Und wenn ich dort mit der Sylvari fertig bin, weiter nach Norden bis zu diesem Übergang in die Provinz Metrica und wieder in den Süden zum Desider Atum“, murmelte Kor und verfolgte seine Route mit einer Kralle auf der Karte. Kor richtete sich auf, steckte die Karte weg und sagte zu Guthmarr: „In Ordnung, wenn die Sylvari gestern schon los ist, muss ich schnell sein, um sie noch einzuholen. Danke für die Informationen, Guthmarr, aber ich muss dann jetzt schon weg.“
„Macht’s gut“, antwortete der Norn, „und viel Glück bei eurem Abenteuer.“
„Das Glück hat sich bisher nicht von seiner besten Seite gezeigt“, knurrte der Charr und wandte sich ab. Nach ein paar Schritten lief er aber wieder zurück und meinte: „Mir fällt gerade ein, dass ich gar nicht weiß, wie die Sylvari oder der Asura aussehen.“
Guthmarr erwiderte: „Nun, Laubirth ist, hmm … grün und hat violette Blätter auf ihrem Kopf, ziemlich lang und hmm …“, der Norn kratzte sich am Kopf, „mal sehen, was noch … ah ja, sie hatte so ein Tier bei sich, wieder so ein grünes Ding, sah ein wenig aus wie ein Hund. Was den Asura angeht, nun der ist klein, hahahaha. Er trägt meist weiße Sachen und einen hohen Hut.“
„Danke“, meinte Kor und wandte sich wieder ab. Die Beschreibungen waren zwar nicht genau gewesen, aber Kor wollte sich nicht beschweren. Besser eine ungenaue Beschreibung, als gar keine. „Und viel Glück mit eurer Idee“, rief er Guthmarr noch zu. Dann verabschiedete er sich noch von Afgar und machte sich auf den Weg in Richtung Abtei Durmand.

Kapitel 14: Eine Nacht im Reich des Wissens

Da Kor jetzt keinen Sack mehr zu schleppen hatte, konnte er in einem zügigen Trab den Weg entlanglaufen. Dieses Mal hatte er keine Augen für seine Umgebung und auch der Schnee verlockte ihn nicht, ein paar Gemälde hineinzulaufen. Schließlich kam er am Abend an die Abteibrücke, grüßte ein paar Exploratoren, die dort Wache hielten, überquerte die Schlucht und war dann in der Abtei Durmand angekommen.
Am liebsten wäre Kor gleich weitergegangen, aber da es mittlerweile Nacht war, sah er ein, dass es klüger wäre, in der Abtei Durmand zu verweilen, bis der nächste Tag angebrochen war.
Er fragte also einen Arkanisten, ob es ein Bett für einen Reisenden gab. Der überlegte kurz und meinte dann: „Eigentlich sind die Betten hier für die Abtei-Leute gedacht, aber vielleicht kann man ein Bett für euch erübrigen, schließlich sind immer ein paar Leute unterwegs und suchen nach Artefakten oder anderen Arten verlorenen Wissens. Fragt am besten Arkanist Timble, er zeigt Neuzugängen normalerweise den Weg in die Bibliothek, aber er wird sicherlich auch Bescheid wissen, ob zur Zeit ein paar Betten frei sind. Er steht im Korridor auf der rechten Seite.“
Kor bedankte sich und suchte Arkanist Timble auf. „Guten Abend“, begrüßte der Charr den Menschen, „ich wurde angewiesen, euch zu fragen, ob ihr ein leeres Bett für eine Nacht für einen reisenden Charr zur Verfügung hättet.“
„Ein Bett, hmm … an sich schon. Was wollt ihr hier denn? Wollt ihr euch der Abtei anschließen, auf der Suche nach Wissen, um gegen die Alt-Drachen vorgehen zu können?“, fragte Timble.
„Äh, nein, anschließen wollte ich mich eigentlich nicht, ich suche nur ein Bett für die Nacht“, antwortete Kor. „Ich bin im Auftrag meines Truppenführers unterwegs, muss aber hier eine Pause einlegen, da es bereits dunkel wird und ich mich hier in dieser Gegend nicht gut auskenne“, fügte er noch hinzu.
Timble sagte: „Nun, das ist sicherlich eine kluge Entscheidung. Unbekanntes Terrain sollte man am besten bei Tag erkunden und in einer Gruppe. Aber gut, ich zeige euch den Weg zu einem Raum, wo gerade die meisten Leute auf Expeditionen sind. Wenn ihr versprecht, die Sachen dort in Ruhe zu lassen, werde ich mal ein Auge zudrücken und euch dort schlafen lassen. Es ist zwar schon spät, aber unsere Köche haben sicherlich noch ein paar Reste vom Abendessen, die ihr zu euch nehmen könnt, wenn ihr Interesse habt. Die Bibliothek steht euch zur Verfügung, konzentriertes Wissen auf kleinem Raum. Vom Anpflanzen von Geisterchilli über Kampftaktiken gegen Oger bis hin zu …“
„Danke, Arkanist Timble“, unterbrach Kor den Redeschwall, da er kaum noch wusste, was der Arkanist zuerst gesagt hatte, „aber Bett und die Mahlzeit reichen mir, vielen Dank.“


Timble war zwar etwas ungehalten über diese Unterbrechung, wies Kor aber dennoch höflich den Weg zu den Betten und dem Essensraum der Abtei.
Im Essensraum fragte der Charr, ob sie noch etwas vom Abendessen für ihn übrig hätten Einer der Köche, ein Norn, lachte laut: „Klar haben wir noch etwas, wir haben immer etwas übrig. Viele Leute hier arbeiten ziemlich lange und vergessen dann immer wieder, dass die regulären Essenszeiten schon lange vorbei sind. Wenn sie dann Hunger haben und hierher kommen, bekommen sie natürlich dennoch etwas zu essen. Wir wollen ja nicht, dass hier jemand verhungert, nur weil er sich in seiner Forschung vergisst.“ Damit reichte er Kor einen Teller mit zwei gefüllten Paprika und eine kleine Schüssel mit Kirsch-Vanillekompott. „Lasst es euch schmecken“, meinte der Koch.


Kor merkte, dass er ordentlich Hunger hatte, als ihm der Duft der gefüllten Paprika in die Nase stieg, und langte ordentlich zu. Bergluft, dachte er, regt wohl den Appetit an oder vielleicht liegt es auch daran, dass ich gestern Abend nur Bier gesoffen habe.
Nach dem Essen ging er dann zu dem ihm zugewiesene Bett und legte sich hin. Es war zwar eindeutig zu klein, aber das war sonst nicht weiter schlimm, immerhin war es ein Bett. Kor konnte sich noch an seine Ausbildung erinnern, wo er ein paar Tage lang in Ruinen schlafen musste und ihn immer mindestens ein Stein in den Rücken gepiekst hatte. Wenn es dann noch geregnet hatte, konnte er damals kein Auge mehr zu machen und war am Tag darauf immer wieder kurz eingenickt, was sein Ausbilder natürlich sofort gemerkt hatte. Als Strafe hatte er dann eine Schicht der Nachtwache übernehmen müssen, was Kor schon damals idiotisch vorkam.
Mit diesen Gedanken glitt er langsam in das Reich der Träume und schlummerte friedlich die Nacht hindurch.
Am nächsten Tag brach Kor wieder zeitig auf, schließlich musste er eine gewisse Sylvari einholen und die hatte einen ordentlichen Vorsprung. Also fragte er nach dem Übergang nach Löwenstein. Ein Explorator zeigte ihm den Weg. „Hier, durch diese Höhle gelangt man nach Löwenstein. Es ist kein langer Weg, nur ein paar Kurven und ein oder zwei Engstellen, nicht weiter schlimm“, meinte er und verabschiedete sich dann von dem Charr. Der ging durch die Höhle und war nach wenigen Minuten in Löwenstein angelangt.


In Löwenstein schaute sich Kor ein wenig um, nahm wieder seine Karte zu Rate und lief dann in Richtung Coriolis-Platz, wo die Portale in alle Teile Tyrias standen. So früh am Morgen war in Löwenstein noch nicht viel los und er kam zügig voran.
In den letzten Tagen hatte es in Löwenstein anscheinend stärker geschneit, denn an den Rändern der Wege lag der Schnee meterhoch. Sogar auf den Wegen selbst gab es die eine oder andere Schneewehe, die der Charr auseinander trat. Am Coriolis-Platz angelangt fragte er nach dem Portal zum Hain und ein Asura zeigte zu einem der südlichen Tore.
Kurz vor dem Portal blieb Kor einen Augenblick stehen. Da es noch keine Schlange gab, beschwerte sich auch niemand. Und wieder eine Teleportation, dachte er. Wehe das Ding funktioniert nicht. Dann atmete er einmal tief durch und ging durch das Portal.

Kapitel 15: Wie die Katze, so der Charr

Als Kor die Augen wieder öffnete, war das schneebedeckte Löwenstein verschwunden und eine grüne Welt lag vor ihm. Die Teleportation hatte Kor in einem Augenblick weit in den Süden von Tyria geschickt. Hier gab es keine Spur von Schnee, dafür war es viel zu warm. Überall sah Kor Pflanzen. Der Boden war bedeckt mit Gras, Moos und Blumen. Gebäude bestanden aus Ranken und Bäumen, Dächer aus riesigen Blättern und überall liefen Sylvari umher. Pflanzen so weit das Auge reichte. Zusätzlich zu den Pflanzen gab es dann auch noch ein lautes Summen von den unzähligen Insekten, die um die Bäume und Blumen schwirrten.
Kor war noch nie im Hain gewesen und so überwältigte ihn der Eindruck dermaßen, dass er sogar vergaß zu überprüfen, ob noch alle Teile bei ihm an der richtigen Stelle waren.


Ein Hainhüter lief auf ihn zu und fragte: „Willkommen, Reisender, wie kann ich euch helfen?“
Kor, immer noch die Umgebung bestaunend, sagte: „Ich bin auf der Suche nach einer Sylvari“.
„Nun“, meinte der Hainhüter mit einem leichten Lächeln, „dann seid ihr am richtigen Ort, die eine oder andere Sylvari sollte hier zu finden sein.“
„Ähm, ja, ich meine, ich suche eine bestimmte Sylvari. Laubirth heißt sie und hmm … sie hat wohl lange violette Haare – oder Blätter oder wie ihr das auch nennt“, antwortete Kor und fügte noch schnell hinzu: „Ich wollte euch jetzt nicht beleidigen, ich weiß nur nicht wie ich das genau beschreiben soll.“
„Schon gut, ich fühle mich nicht angegriffen, Blätter passt schon als Begriff“, erwiderte der Hainhüter freundlich.
„Ah, verstehe“, meinte Kor unsicher. „Also, sie hat wohl noch einen Tiergefährten bei sich, einen grünen Hund oder so.“
„Ihr meint sicherlich einen Farnhund“, half der Hainhüter dem Charr. „Ich muss euch aber leider enttäuschen, eine Sylvari namens Laubirth kenne ich nicht und hier laufen so viele herum, dass ich mir nicht von allen ihr Aussehen merken kann.“
Kor erwiderte: „Hmm, ja. Das dachte ich mir schon. Ich weiß zum Glück noch, dass sie zum Mabon-Markt wollte.“
„Ah, der Mabon-Markt, sehr schöne Gegend, in der man viele Leute trifft“, antwortete der Hainhüter. „Am schnellsten gelangt ihr über den Caledon-Pfad in den Caledon-Wald und … Habt ihr zufällig eine Karte? Es wäre einfacher, euch den Weg zu zeigen, anstatt nur zu beschreiben.“
Kor holte seine Karte heraus und der Hainhüter zeigte ihm den genauen Weg. „Hier im Dorf Astorea geht ihr über diese Brücke in Richtung Kastell Astorea. Wenn ihr dort seid, seid vorsichtig, denn der Albtraumhof greift dort immer wieder an.“ Er schaute sich den Charr an und meinte dann: „Wobei ich eher glaube, dass ich mir mehr um den Albtraumhof sorgen machen müsste, solltet ihr auf sie treffen. – Nun ja, jedenfalls geht es dann weiter in Richtung Sandbucht-Strand. Dort liegt die Bucht-Freistatt. Von dort geht es dann weiter zum Mabon-Markt. Weiter östlich von der Bucht-Freistatt gibt es noch eine kleine Sylvari-Siedlung.
Der Strand wird auch immer wieder von Untoten angegriffen, also seid auch dort vorsichtig.“
„Vielen Dank für die Wegbeschreibung und die Warnungen“, antwortete Kor, steckte die Karte wieder ein und machte sich auf den Weg.
„Immer wieder gerne, Freund Charr, mögen die Sterne euch leiten“, sagte der Hainhüter zum Abschied und ging dann wieder auf seinen Posten.


Kor ging durch den Hain und blickte sich immer wieder erstaunt um. So viele Pflanzen hatte er bisher noch nie auf einem Haufen gesehen. Die Schwarze Zitadelle und Ascalon allgemein waren eher arm an Grünzeug aller Art.
Nach kurzer Zeit war er beim Caledon-Pfad angekommen und nahm die Passage zum Caledon-Wald. Dort sollte er nach einer kurzen Strecke auf das Dorf Astorea treffen. Als Kor dort eintraf, war es bereits Nachmittag geworden.
Er suchte gerade den Weg zu der Brücke, die ihn zum Kastell bringen sollte, als er an zwei Sylvarifrauen vorbeilief. Kor achtete nicht auf die beiden, aber die beiden dafür auf ihn. Als sie den Charr sahen, zeigten sie voller Entzücken auf ihn und liefen auf ihn zu. Kor bemerkte die beiden erst, als sie um ihn herumliefen, auf ihn deuteten und immer wieder miteinander tuschelten.
Kor, etwas ungehalten und verwirrt über dieses Verhalten, ging auf die beiden zu und meinte: „Es ist nicht gerade nett auf jemanden zu zeigen und dabei zu tuscheln. Wenn ihr was von mir wollt, sagte es.“
„Oh, bitte seid nicht böse. Es ist nur so, wir haben noch nie einen Charr gesehen. Wir kennen sie nur aus Beschreibungen und jetzt sehen wir, wie ihr, ein echter Charr, hier herumlauft. Da mussten wir euch einfach mal ansehen“, antwortete die eine Sylvari.
„Iven, du hast vergessen, uns vorzustellen“, stupste die andere Sylvari ihre Freundin an und übernahm die Vorstellung dann selber. „Ich bitte um Entschuldigung, meine Freundin hier heißt Iven und ich bin Laraia.“
„Kor“, knurrte der Charr kurz.
Die beiden Frauen klatschten freudig in die Hände und meinten zueinander: „Er spricht sogar, wie in den Büchern beschrieben, mit einem Knurren und Fauchen in der Stimme, wie niedlich.“
„He, ich bin nicht niedlich“, fauchte Kor ungehalten und richtete sich auf.
„Ach, nicht so schüchtern, das war doch keine Beleidigung“, sagte Iven lachend und Laraia meinte: „Ich finde, er sieht den Katzen hier doch ziemlich ähnlich, findest du nicht auch?“ „Ja, die sind genauso niedlich wie Kor, nur kleiner“, antwortete Iven und beide begann zu kichern.
„Ich sagte doch, ich bin nicht niedlich! Ich bin ein Soldat der Blut-Legion“, knurrte Kor erneut und versuchte, sich noch weiter aufzurichten. „Und schon gar nicht bin ich vergleichbar mit einer dieser Katzen, die überall herumstreunen. Ich habe viel größere Zähne und Krallen, als diese armseligen Dinger.“
Plötzlich schnurrte es an seinem Bein und Kor blickte hinab. Eine schwarze Katze mit weißen Pfoten und einem weißen Bauch strich gerade um seine Beine und maunzte ihn dann an.
Das Tier kam Kor wie gerufen. Schnell packte er die Katze, hielt sie neben sein Gesicht und meinte dann: „Seht ihr, keinerlei Ähnlichkeit. Die Katze sieht harmlos aus, ich gefährlich. Die Katze ist niedlich, ich nicht.“
Das sollte sie ja wohl überzeugen, dachte Kor zufrieden, aber die Reaktion der beiden Sylvari war anders, als er erhofft hatte. Anstatt ihm zuzustimmen, riefen sie freudig aus: „Oh, schau nur, Iven, zwei niedliche Gesichter nebeneinander. Ach, wie süß!“
„Ich wünschte, ich könnte die beiden behalten. Am liebsten will ich die beiden knuddeln, Laraia.“
Kor, von diesen Reaktionen überrascht, versuchte die beiden sogleich zu berichtigen. „Ich bin nicht …“, „He …“, „Ich bin Soldat und keine …“, aber die beiden ließen ihn gar nicht mehr zu Wort kommen und überluden ihn mit Schmeicheleien und freuten sich wie kleine Kinder. Zu allem Überfluss begann die Katze dann auch noch, Kors Gesicht abzuschlecken, während sie munter weiter schnurrte, was die beiden Frauen nur noch mehr entzückte.
Irgendwann gab Kor auf, setzte die Katze ab und knurrte nur noch ungehalten vor sich hin: „Bin nicht niedlich …“


Nachdem die Frauen noch ein paar Minuten weiter so über Kor hergezogen waren, beruhigten sie sich allmählich wieder. Iven sagte dann: „Tut uns leid, wenn wir euch aufgehalten haben, aber ihr wart der erste Charr, den wir je gesehen haben. Können wir euch denn helfen, als Dank?“
„Wohl kaum“, knurrte Kor, „ich suche jemanden namens Laubirth, aber die werdet ihr wohl kaum kennen.“
„Laubirth? Doch, natürlich kennen wir sie. Sie ist eine Freundin von uns und erzählt uns immer die tollsten Geschichten von ihren Reisen“, antwortete Laraia.
Kor horchte auf und fragte: „Und wisst ihr zufällig, wo sie sich gerade aufhält?“ Laraia und Iven überlegten, dann meinte Iven: „Ich glaube, ich habe sie heute Mittag gesehen, als ich aus dem Fenster sah. Sie trug einen Sack und lief in Richtung Norden mit ihrem kleinen Farnhund Zamir.“
„Das ist sie“ meinte Kor. „Danke für diese Auskunft.“ Also habe ich sie fast eingeholt, dachte er erfreut.
„Wenn ihr sie sucht, dann schaut doch bei Brigids Aussichtspunkt vorbei. Sie besucht dort einen alten Freund, sooft es ihr möglich ist“, meinte Laraia.
„Das werde ich machen“, antwortete Kor und wandte sich zum Gehen um.
Plötzlich umarmten ihn vier kleine Hände, doch reichten diese ihn nur knapp an die Brust. Wieder hörte er ein Kichern. Die beiden Sylvari versuchten wohl, ihn zu umarmen, so recht wollte es ihnen nicht gelingen, was die beiden aber wohl nicht sonderlich störte. Dann ließen sie wieder von ihm ab und meinten: „Grüßt Laubirth von uns.“
Kor nickte kurz und ging dann weiter. Hinter sich hörte er noch die beiden tuscheln: „Fast so flauschig wie eine Katze. Schade nur, dass seine Rüstung im Weg war.“ Er beschleunigte seinen Gang und wollte diese peinliche Situation so schnell wie möglich vergessen.

Kapitel 16: Ein Kampf im Grünen

Nach der Begegnung mit den beiden Sylvarifrauen hatte Kor es ziemlich eilig, aus dem Dorf herauszukommen und die Brücke zu erreichen. Im Eiltempo überquerte er sie und näherte sich raschen Schrittes dem Kastell Astorea. Erst als er dort war, verlangsamte er sein Tempo wieder etwas. Er erinnerte sich an die Warnung des Hainhüters, dass der Albtraumhof hier immer wieder Vorstöße ausführte.
Vom Albtraumhof hatte Kor schon gehört, es waren Sylvari, die sich gegen die sogenannte Versklavung durch den Blassen Baum wehrten, um wahre Freiheit zu erlangen. Zu einem gewissem Maße konnte er diese Sylvari sogar verstehen. Regeln engten ein und zwangen einen auch immer wieder, Dinge zu tun, die man gar nicht machen wollte. Aber genau solche Regeln sorgten auch dafür, dass so viele Wesen auf engem Raum überhaupt miteinander auskamen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen. Kor wollte sich nun jedoch nicht in die Politik anderer Rassen einmischen. Er bekam ja schon Kopfschmerzen, wenn er versuchte, bei seinem eigenen Volk durchzublicken.
Wieder kam ein Hainhüter auf ihn zu und fragte, was er hier wolle. Kor antwortete: „Ich suche eine Sylvari namens Laubirth. Sie soll zum Mabon-Markt unterwegs sein und ich muss sie vorher noch treffen.“
„Dann wünsche ich euch viel Erfolg, Reisender“, antwortete der Hainhüter, „aber passt auf, der Albtraumhof ist hier aktiv.“
„Danke, das werde ich“, erwiderte Kor und ging dann durch das Kastell. Auf der anderen Seite der kleinen Festung sah Kor riesige kugelförmige Pflanzen, die irgendeine Art von Munition auf Eindringlinge schossen, seien es wilde Tiere oder angreifende Sylvari. Der Charr fragte eine Hainhüterin neben sich, was das für Pflanzen seien.
„Das sind Samenmörsertürme, sie stoßen Samen aus, die beim Aufprall explodieren. Sehr nützlich gegen alle Arten von Eindringlingen“, antwortete die Hainhüterin.
„Ich wusste gar nicht, dass es solche Pflanzen gibt“, meinte Kor und beobachtete interessiert, wie so eine Mörserpflanze einen Pirscher ins Visier nahm und einen Samen ausstieß. Zielsicher fand das Geschoss sein Ziel und vertrieb das Tier.
Kor wollte sich gerade wieder auf den Weg machen, als ein Hainhüter in sein Horn blies. Die Hainhüterin neben ihm nahm ihre Waffen in die Hand und viele weitere stießen aus dem Inneren des Kastells zu ihr. Kor musste nicht fragen, was los war. Er war oft genug in Schlachten gewesen, um zu wissen, dass ein Angriff kurz bevor stand.
Ein Hainhüter neben ihm meinte: „Wenn ihr so freundlich wärt, hinter die Mauern des Kastells zu gehen, würdet ihr uns sehr helfen, Reisender. Der Albtraumhof ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.“
„Pah, ich werd’ ganz bestimmt keinen Rückzieher machen. Zufällig bin ich ein Soldat der Blut-Legion. Wenn ihr ein weiteres Schwert auf eurer Seite wollt, ich hatte in letzter Zeit zu wenig Gelegenheit, mich ordentlich auszutoben“, erwiderte Kor, zog Schwert und Schild und trat in die Aufstellung der Sylvari ein.
Der Hainhüter schaute ihn kurz an und zuckte dann die Schulter. „Ich hoffe, ihr wisst, was ihr da tut“, meinte er noch, dann begann der Angriff.


Die Albtraumhöflinge griffen in Wellen an, aus verschiedenen Richtungen und benutzten, ebenso wie die Hainhüter, Geschosse schießende Pflanzen. Es gab erbitterte Kämpfe zwischen den Sylvari. Duelle, Gruppen gegen Gruppen, Schwerter klirrten gegen Schilde, Pfeile flogen durch die Luft, Schreie von verwundeten oder tödlich getroffenen Sylvari hallten durch die Luft und das Knurren mancher Tiergefährten trug noch zum Lärm bei. Die Mörserpflanzen schossen unaufhörlich und auch Kor wütete wild und grimmig um sich, während er blutige Ernte unter den angreifenden Sylvari hielt.
Nach etwa einer halben Stunde war der Kampf vorbei, der Vorstoß des Albtraumhofs abgewehrt. Die Hainhüter und Kor trugen die Verwundeten vom Schlachtfeld und sammelten die Toten beider Seiten auf einem großen Haufen.
„Was passiert mit den Toten eigentlich? Tut mir leid, wenn ich das so einfach frage, aber ich weiß nicht viel über euch Sylvari“, fragte Kor einen Hüter vorsichtig, während sie die letzten Toten bargen.
„Sie bleiben im Kreislauf des Lebens, Charr. Ihre Körper werden anderen Lebewesen ein Zuhause und Nahrung bieten. Im Tod sind wir alle gleich, die Natur macht keinen Unterschied, den machen nur wir“, antwortete er, legte den letzten Toten ab und ging dann zum Kastell.
Kor folgte ihm. Auch wenn er es eilig hatte, konnte er nicht einfach verschwinden, nachdem er bei der Schlacht beteiligt gewesen war. So fragte er, ob er noch helfen könnte, aber die Hainhüter winkten ab: „Danke für das Angebot, aber wir kommen zurecht. Geht nur Reisender, ihr habt euer eigenes Ziel, aber danke, dass ihr uns beim Kampf geholfen habt. Ihr wart eine große Hilfe.“
Kor nickte: „Die Albtraumhöflinge waren aber auch zähe Gegner. Ich hatte schon lange keinen solchen Kampf mehr. Wenn jeder Sylvari so ist, sollte man euch nicht unterschätzen.“
Dann wandte er sich um, um Laubirth zu finden.


Nachdem er das Kastell verlassen hatte, holte er noch einmal seine Karte heraus, um zu schauen, wie er zu Brigids Aussichtspunkt kam. Tatsächlich war es ein großer Umweg, wenn er eigentlich zum Mabon-Markt wollte, aber den Worten der beiden Sylvarifrauen nach würde Laubirth dort zuerst hingehen. Kor zuckte die Achseln und ging dann nach Osten, als er die Abzweigung Richtung Brigids Aussichtspunkt erreichte.
Der Weg führte Kor am Rand des Sandbucht-Strandes entlang. Er hatte einen guten Blick auf den Strand, der durchsetzt war von kleinen Wasserflächen, durchgesickertes Wasser aus der Ventry-Bucht.
Der Abend dämmerte, als er das Dorf bei Brigids Aussichtspunkt erreichte.

Kapitel 17: Nächtliche Kletterpartie

Die Sylvari im Dorf bei Brigids Aussichtspunkt grüßten ihn höflich, folgten ihm aber auch mit fragenden Blicken. Es kam schließlich nicht häufig vor, dass ein Charr in ihrer Siedlung auftauchte. Kor kümmerte sich nicht weiter um die Blicke, sondern suchte einen Hainhüter auf.
Er sah sich ein wenig um und entdeckte dann einen Sylvari, der anderen gerade Befehle erteilte. Der Charr wartete, bis er fertig war, und trat dann zu ihm. Der Sylvari blickte ihn fragend an: „Hauptmann Noe. Was führt einen Charr in diese kleine Siedlung zum Beginn des Nachtzyklus?“
„Guten Abend, ich bin auf der Suche nach einer Sylvari namens Laubirth. Sie hat etwas, was eigentlich mir gehört“, antwortete Kor.
„Laubirth und eine Diebin? Das kann ich nicht glauben, Charr. Sie ist abenteuerlustig und noch recht jung, kennt aber den Unterschied zwischen Richtig und Falsch“, erwiderte der Hauptmann entschieden.
„Nein, nein, keine Diebin, da hab ich mich wohl falsch ausgedrückt“, korrigierte sich Kor sofort und hob abwehrend die Arme. „Ist eine lange Geschichte. Eine, ähm … Händlerin hatte etwas verwechselt und dadurch kam Laubirth indirekt zu dem Paket, was ich eigentlich abholen sollte. Sie weiß das jedoch nicht. Ich wollte sie treffen und bitten, mir den Inhalt zu geben. Ich hoffte eigentlich, sie hier anzutreffen.“
„Nun, das ist etwas anderes“, meinte der Hauptmann, nun wieder freundlich, „Ihr findet Laubirth in dem roten Haus im hinteren Teil der Siedlung. Sie besucht dort Luwien. Sie sollten noch wach sein, aber seid freundlich, Laubirth ist uns allen hier sehr lieb und wichtig.“


Kor bedankte sich und begab sich zum genannten Haus. Dort klopfte er, mangels einer richtigen Tür, an eine Wand und wartete, dass die beiden Sylvari im Inneren auf ihn aufmerksam wurden.
Diese blickten auch sofort auf und die Sylvarifrau stieß einen überraschten Ruf aus. Der Mann blieb ruhig und winkte Kor hinein.
Die Frau sah aus, wie Guthmarr sie beschrieben hatte, im Großen und Ganzen war sie grün, jedoch mit langen violetten Blättern auf dem Kopf und großen braunen Augen. Der Mann war dunkelbraun und hatte keine Blätter auf dem Kopf, dafür aber etwas, was aussah wie der Hut eines riesigen Pilzes. „Ein Charr hier in der Siedlung ist ein seltener Anblick, seid dennoch willkommen“, begrüßte ihn der Mann. „Ich bin Luwien und diese junge Dame hier ist Laubirth.“
„Hallo“, sagte Laubirth etwas aufgeregt und reichte ihm ihre Hand.
„Guten Abend“, erwiderte Kor und nahm vorsichtig die Hand in seine Pranke. Die Hand der Sylvari verschwand vollständig in der Kors und er hatte Angst, diese aus Versehen zu zerquetschen, also ließ er schnell wieder los. „Entschuldigt die Störung, aber ich muss mit Laubirth etwas Geschäftliches besprechen“, wandte er sich an die Frau.
Laubirth fragte ihn: „Ich kann mich nicht erinnern, euch schon einmal getroffen zu haben. Seid ihr sicher, dass ihr zu mir wollt?“
„Ich denke schon. Jedenfalls dann, wenn ihr vor Kurzem einen Sack von einem Norn namens Guthmarr gekauft habt“, antwortete Kor.
„Das habe ich in der Tat“, meinte sie überrascht, „aber woher wisst ihr davon?“
„Guthmarr hat es mir gesagt. Um ehrlich zu sein: der Inhalt gehört meinem Trupp und ich habe den Auftrag, ihn abzuholen. Durch ein paar unglückliche Zufälle seid ihr nun im Besitz eines Teils dieses Inhalts und darum bitte ich euch, ihn mir zu geben. Wir können bestimmt etwas finden, was ich euch im Tausch dafür geben kann“, meinte der Charr.
„Hmm, eigentlich hatte ich vor, das Zeug zu verkaufen. Man findet es hier nicht so oft und ich könnte damit viel Geld verdienen“, meinte Laubirth.
„Gibt es denn etwas, was ihr dafür eintauschen würdet?“, fragte Kor weiter. „Vielleicht habe ich es ja oder kann es besorgen.“
„Es gibt da schon ein paar Sachen, die ich haben wollte, aber die sind nicht so einfach zu bekommen“, sinnierte Laubirth.
Kor knurrte leise und beide überlegten weiter. In diese Stille hörten sie ein leises Winseln aus weiter Entfernung und Laubirth machte plötzlich ein trauriges Gesicht.
Luwien kam zu Laubirth, zog sie in eine Ecke und schien auf sie einzureden. Sie schaute auf Kor und nickte dann langsam. Dann gingen beide wieder zu dem Charr.
Laubirth sagte: „Luwien hat eine Idee, mit der wir beide wohl zufrieden sein können. Ehrlich gesagt, habe ich ein kleines Problem. Auf dem Weg hierher wurde ich von ein paar Untoten angegriffen. Bei dem Angriff ist mein armer Zamir leider in ein tiefes Loch gefallen. Alleine habe ich ihn da nicht herausholen können.
Ich wollte Luwien fragen, ob er helfen könne, und er wollte es sich morgen ansehen. In der Nacht sehen wir leider nicht sehr gut, da wir beide nicht im Zyklus der Nacht geboren wurden, aber Zamir tut mir so leid, die ganze Nacht allein in einem dunklen, tiefen Loch festzusitzen.“ Sie schüttelte sich und sah so aus, als ob sie selbst in diesem Loch festsitzen würde und nicht ihr Tiergefährte. „Allerdings weiß Luwien auch nicht, wie lange es morgen dauern würde, bis wir Zamir herausgeholt hätten, wir sind beide nicht die besten Kletterer. Wenn ihr aber Zamir da herausholen könntet, wäre ich euch sehr dankbar und würde euch den Sack gerne als Dank geben.“ Laubirth schaute ihn mit ihren großen Augen flehend an.
Kor kratze sich am Kopf und meinte dann: „Sollte an sich kein großes Problem sein, mit dem Klettern habe ich keine großen Schwierigkeiten. Kommt nur noch drauf an, wie groß das Loch ist.“
Laubirth stieß einen Freudenschrei aus und umarmte den Charr: „Danke, danke schon jetzt. Kommt, ich zeige euch, wo Zamir festsitzt.“ Damit zerrte sie den Charr hinter sich her – sie versuchte es zumindest, hätte mit ihrer Kraft den Charr aber kaum von der Stelle bewegen können. Aber Kor ließ sich folgsam führen. Luwien, der noch ein Seil mitnahm, folgte ihnen.


Ein Stück außerhalb der Siedlung blieb Laubirth vor einem tiefen Loch stehen. Vom Grund hörte man ein leises Winseln und Bellen. Laubirth kniete sich an den Rand des Loches und rief herunter: „Nur noch ein kleinen Augenblick, Zamir, gleich kommt dich jemand holen. Du bist bald wieder bei mir, mein Kleiner!“
Kor schaute sich das Loch genauer an. Er schätzte, dass er knapp hineinpassen würde und blickte dann auch hinein. „Hmm, ziemlich düster da unten“, brummelte er, „in den Arm kann ich euren Kleinen nicht nehmen, dafür ist das Loch zu klein. Er müsste entweder auf meine Schulter oder ich müsste ihn irgendwie festbinden, damit er unter mir hängt. Ich werde erst einmal so hinunterklettern, um zu sehen, wie es da unten aussieht.“
Damit begab sich Kor auch sogleich in das Loch, rammte seine Krallen in die Wände und ließ sich langsam hinab. Die ersten Meter über war das Loch ziemlich eng und Kor hatte nur wenig Spielraum, aber als er den Boden fast erreicht hatte, weitete sich der Raum etwas. Hier unten konnte er sich ein wenig freier bewegen. In einer Ecke sah er den Farnhund liegen, wie einer der Hainhüter ihn genannt hatte.
Aufmerksam begutachteten sich die beiden ein paar Augenblicke. Dann legte der Hund seinen Kopf auf seine Pfoten. Er sah in Kor wohl keine Gefahr, was er auf der einen Seite gut fand, auf der anderen Seite jedoch auch wieder fraglich.
Darüber kann ich später noch nachdenken, dachte er und rief nach oben: „Werft das Seil hinunter, hier unten ist genug Platz, dass ich euren Hund auf mir festbinden und dann mit ihm hochklettern kann!“
Kurz darauf klatschte ihm das Seil ins Gesicht und Kor machte sich vorsichtig daran, den Hund auf seine Schultern zu setzen und ihn dort festzubinden. „Mach mir aber keine Scherereien, klar?“, sprach er auf Zamir ein. „Wenn du anfängst, dich zu wehren, kommen wir beide hier so schnell nicht wieder raus, also schön ruhig bleiben.“
Der Farnhund schien ihn zu verstehen und blieb ruhig, während Kor ihn festband. Nur hin und wieder bewegte er sich ein wenig, um es sich etwas gemütlicher zu machen.
Nachdem der Hund fest auf Kors Schultern saß, begann der Charr mit auf Aufstieg. Wieder krallte er sich mit seinen Pranken in der Wand fest und nach kurzer Zeit waren sie aus dem Loch heraus.
Der Farnhund bellte vor Freunde und konnte es kaum erwarten, vom Seil befreit zu werden und zu seiner Herrin zu laufen. Die beiden tanzten angesichts ihrer Wiedervereinigung ausgelassen herum. Kor indes versuchte, die größten Dreckklumpen aus seiner Paraderüstung zu klauben. „Das dauert ja ewig, bis ich das wieder sauber habe“, knurrte er leise.
Dann kam Laubirth zu ihm und umarmte ihn stürmisch: „Vielen Dank, dass ihr meinen Zamir gerettet habt, ich kann euch gar nicht genug danken! Den Sack bekommt ihr selbstverständlich und wenn ihr sonst noch etwas braucht, müsst ihr mich nur fragen.“
„Danke“, meinte Kor etwas ungelenk. Irgendwie hingen in letzter Zeit ziemlich viele Sylvari an seiner Brust. „Der Sack reicht mir vollkommen, schließlich war das die Abmachung.“
Auch Luwien bedankte sich bei Kor und lud ihn ein, die Nacht bei sich zu verbringen. Kor nahm das Angebot dankend an und zusammen gingen sie fröhlich zurück zu Luwiens Haus.

Kapitel 18: Der Mabon-Markt

Am nächsten Morgen frühstückten die drei gemütlich zusammen. Zum Trinken gab es Wasser gemischt mit Nektar, wie Luwien dem Charr erklärte. Je nach Nektar gab man dem Wasser eine unterschiedliche Geschmacksnote und wenn man noch Kräuter dazu gab, erweiterte sich die Geschmacksbreite noch weiter. So gab es zum Beispiel bitteres oder scharfes Wasser, er habe sogar gehört, dass es jemand geschafft hätte, Wasser einen fleischigen Geschmack zu geben. Luwien hatte jedoch nur Wasser mit Nektar im Haus.
Zu Essen gab es in Blätter eingewickelte Klöße. Sehr schmackhaft und zu Kors freudiger Überraschung auch mit Fleisch. Luwien lachte, als Kor sie deswegen fragte und erklärte: „Nur weil wir pflanzliche Wesen sind, heißt das noch lange nicht, dass wir deswegen nur Pflanzen essen oder uns von Sonnenlicht und Wasser ernähren. Wir benötigen das Essen vielleicht nicht in dem Maße, wie ihr oder die Menschen, aber die Freude über die verschiedenen Geschmacksmöglichkeiten und deren Zubereitung lassen wir uns doch nicht entgehen.“
Nach dem Frühstück gab Laubirth Kor einen Sack, der für sie fast schon zu groß und zu schwer war. „Hier, das gehört euch. Das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann, nachdem ihr Zamir gerettet habt.“
Der Charr bedankte sich und machte sich für den Abmarsch bereit. Denn Kor musste weiter in die Provinz Metrica.
„Wo genau wollt ihr denn dort hin?“, fragte Laubirth. Kor holte die Karte heraus und meinte: „Zum Desider Atum. Ich muss also erst einmal in den Bergsuhlensumpf, dort den Pass oder die Höhle in die Provinz Metrica nehmen und dann wieder Richtung Süden laufen.“ Bei den Worten ließ Kor resigniert die Schultern hängen.
Laubirth schaute sich die beschriebene Route an und fragte dann: „Wieso wollt ihr über den Bergsuhlensumpf in die Provinz? Es gibt einen Pfad in der Nähe vom Dorf Cathal, welcher auch nach Metrica führt. Hier, auf halbem Weg zum Sumpf. Warum nehmt ihr nicht den?“
Sie zeigte die Stelle auf der Karte. Kor sah sie sich an und meint dann erfreut: „Das würde die Reise ja erheblich verkürzen. Ich wusste gar nicht, dass es dort auch einen Pfad gibt. Ich wäre wahrscheinlich glatt daran vorbeigelaufen. Danke, Laubirth, das hilft ungemein.“
Nach der Verabschiedung, Laubirth hing wieder kurz an der Brust des Charr, machte sich Kor dann auf den Weg.


Er lief den Weg zurück, den er gestern genommen hatte, nachdem er an der Kreuzung den Weg zu Brigids Aussichtspunkt genommen hatte, und nahm dann den Pfad Richtung Norden. Er kam an der Bucht-Freistatt vorbei und begutachtete im Vorbeigehen die Anlage. Sie war an manchen Stellen ziemlich ramponiert und immer wieder sah er Bauarbeiter, die marode Stellen reparierten. Hat auch schon mal bessere Tage erlebt. Die Untoten hier scheinen nicht ganz so harmlos zu sein, wenn ich mir die Festung so ansehe, dachte Kor.
Nach der Freistatt überquerte er ein paar Brücken und gegen Nachmittag sah der Charr die ersten Stände auftauchen, die den Mabon-Markt ankündigten. Als er dort eintraf, herrschte ein geschäftiges Treiben. Überall hörte er die Standbesitzer ihre Waren anpreisen. Sie hoben ihre Qualitäten hervor, ihre Seltenheit oder versprachen, dass man nirgendwo anders diese Sachen so billig erwerben könne.
Zwischen all den Ständen gingen Kunden hin und her, begutachteten die Waren und feilschten um das eine oder andere Stück. Vorherrschend sah Kor Sylvari herumlaufen, aber auch Asura und Menschen waren zu sehen. Soweit Kor es beurteilen konnte, war er der einzige Charr hier und Norn sah er gar nicht.
Interessiert schaute sich Kor auch selbst ein paar der Stände näher an. Ihn interessierten vor allem die Schmieden und Rüstungsstände. Die Rüstungsstände verkauften vor allem Rüstungen aus gehärtetem Holz, auch wenn ein paar Eisen oder Stahlrüstungen dabei waren.
Ein Verkäufer versuchte Kor eine Rüstung im 'Sylvari-Stil', wie er es nannte, zu verkaufen und versicherte, dass dieses Holz genauso hart, wenn nicht sogar härter als jede Stahlrüstung wäre. „Glaubt mir, diese Rüstungen sehen nicht nur schick aus – nicht dass eure nicht ansehnlich wäre, aber ihr müsst zugeben, dass eurer Rüstung doch das gewisse Etwas fehlt – sie halten auch mehr aus, als die, die ihr gerade anhabt“, versuchte er Kor zu überreden. „Ich habe hier eine Proberüstung, ihr könnt ruhig mit eurem Schwert darauf einschlagen. Ihr werden sehen, sie wird kaum einen Kratzer abbekommen“, versuchte er es weiter. Aber der Charr konnte diesen, wie gewachsen aussehenden Rüstungen nicht viel abgewinnen. Er vertraute lieber auf Stahl, dem man auch ansah, dass es viel aushielt.
Bei den Waffen war es ähnlich. Die Waffen der Sylvari sahen alle irgendwie lebendig aus – und als könnte ein kräftiger Hieb einen dieser als Schwert bezeichneten Äste sogleich zerschneiden. Kor ging weiter, blieb aber bei einer Waidmannstation hängen. Dort arbeitete ein Sylvari gerade an einigen Pfeilen. Der Sylvari nahm sich eine Handvoll Äste, schaute sich jeden einzelnen genau an, legte alle bis auf einen zurück und begann dann, diesen Ast zu einem Pfeil zu schnitzen.
Nachdem er fertig war, legte er den Schaft in eine Maschine, die sich ständig drehte und anscheinend den Pfeil anspitzte. Kor sah mehrere solcher Maschinen, die alle am Laufen waren. Nach dem Einlegen nahm der Sylvari wieder ein Handvoll Äste auf und wiederholte diesen Vorgang immer wieder.
Hin und wieder schaute er sich ein paar Pfeile in den sich drehenden Maschinen an, nahm dann den einen oder anderen heraus und begann sie zu befiedern.
Nach einer Weile, in der nichts Neues mehr geschehen war, ging der Charr weiter.
Er wandte sich nach Norden. Kor hatte vor, heute noch beim Dorf Cathal anzukommen, um dann morgen die Provinz Metrica zu betreten. Doch dazu musste er erst noch die Ruinen der Ungesehenen durchqueren.
Durch Gesprächsfetzen auf dem Markt hatte Kor mitbekommen, dass in den Ruinen immer wieder Skritt anzutreffen waren, die dieses Gebiet wohl als Teil ihres Territoriums sahen.

Kapitel 19: Skritt schlau, ja!

Als er sich den Ruinen der Ungesehenen näherte, hörte Kor immer wieder quietschende Stimmen aus allen möglichen Richtungen und ein allgegenwärtiges Rascheln. Hin und wieder sah er einen nackten Schwanz in einem Gebüsch verschwinden und überall lagen zerbrochene Flaschen und anderer Müll herum.
Kor hatte sein Schwert gezogen, denn er wollte nicht unvorbereitet auf einen Haufen Skritt stoßen. Allein waren diese Wesen zwar keine Gefahr, aber Skritt waren meist nicht ohne Gefährten anzutreffen. Sah man einen Skritt, konnte man sich ziemlich sicher sein, dass sich in der Nähe noch mindestens fünf weitere von ihnen versteckt hatten.
Vorsichtig ging Kor weiter und schaute sich die Umgebung genau an. Schließlich erreichte er die Mitte der Ruinen und traf dort zu seiner Verwunderung eine Asura, die eine Menge Golems steuerte und an verschiedenen Pulten immer wieder irgendwelche Knöpfe und Hebel betätigte.
Grüßend ging er auf sie zu: „Hallo, ich hätte nicht gedacht, hier in den Ruinen jemanden anzutreffen außer ein paar Skritt.“
„Aber warum denn nicht? Dieses Gebiet eignet sich ausgezeichnet zur Erforschung der Skritt. Hier, in ihrer natürlichen Umgebung, kann ich ihr Verhalten wunderbar studieren und festhalten“, erwiderte die Asura. „Aber die Skritt sind aggressiv, also muss man gut aufpassen.“
„Ja, ich hatte schon das Vergnügen, mit einigen Skritt aneinander zu geraten. Nicht hier, aber in anderen Gebieten. Nervige kleine Biester“, antwortete Kor.
„Richtig, aber umso wichtiger ist es, sie besser zu verstehen, um effektivere Methoden gegen sie entwickeln zu können. Und diese Forschung hier soll ihren Teil dazu beitragen“, meinte die Asura stolz. „Übrigens, sucht ihr hier etwas Bestimmtes?“
„Nein, ich will diese Ruinen nur durchqueren, um zum Dorf Cathal zu gelangen. Ich will eure Forschung nicht weiter stören“, winkte Kor ab.
„Gut, gut“, meinte die Asura, „dann passt auf bei eurer Durchquerung und zertrampelt bitte keines der Geräte, die ich hier überall verteilt habe.“ Damit widmete sie sich wieder irgendwelchen Datenpads, die ihr ein Golem gebracht hatte.


Kor ging vorsichtig weiter, verließ die Asura mit ihren Golems und stieß dann wieder in die Ruinen vor. Jetzt achtete er noch zusätzlich auf Asurageräte und machte einen großen Bogen um diese summenden Maschinen.
Bei einer solcher Aktion trat Kor auf einen kleinen Haufen Laub und plötzlich gab der Boden unter seinen Füßen nach. Kor fauchte überrascht, versuchte sich an den Wänden festzuhalten, bekam aber keinen ordentlichen Halt. Nach einem kurzen Fall landete er mit allen Vieren auf dem Boden und schaute sich missmutig um. Offensichtlich war er in eine Falle gelaufen. Er schaute sich ein wenig um und merkte dann, dass er seinen Sack im Fallen losgelassen hatte und dieser nun knapp unter dem Rand des Loches an einer Wurzel hing.
Er schickte sich gerade an, wieder hochzuklettern, als ein paar Skrittköpfe am Rand auftauchten und ihn ansahen.
Mit piepsenden Stimmen riefen sie freudig: „Große Katze dumm, Skritt schlau, ja, Skritt sind listig, haben dumme Katze besiegt!“ Dann zogen sie mühsam den Sack über den Rand, während sie immer wieder „Glänziges!“ riefen. Zum Abschied warfen sie noch ein paar Erdklumpen und Flaschen auf ihn und verschwanden dann.


Kor rief noch hinter: „He, bleibt stehen, ihr verflixten Ratten! Das ist mein Sack, gebt ihn wieder her oder ich prügel euch windelweich!“ Aber die Skritt lachten nur.
Der Charr fauchte verärgert und kletterte schnellstmöglichst wieder aus dem Loch. Oben angelangt sah er gerade noch, wie der Sack um die Ecke einer Ruinenmauer verschwand. Schnell zog er sein Schwert und lief den Skritt hinterher. „Na wartet, ihr miesen Ratten. Ich hab zu viel durchgemacht, um diesen Sack zu bekommen. Den schnappt ihr mir jetzt nicht vor der Nase weg!“
Die Skritt sahen, dass ihr vermeintlich hilfloses Opfer schon wieder aus dem Loch geklettert war und piepsten aufgeregt, während sie versuchten, den Sack noch schnell in eines ihrer Verstecke zu schleppen. Doch Kor holte mit weiten Sprüngen schnell auf.
Keine dreißig Meter weiter war Kor bei den Skritt angelangt, schnappte sich den Sack aus ihren kleinen Fingern und brachte sie mit dem Schwert auf Abstand. Die Skritt quietschten wütend und warfen mit Flaschen und Holzplanken nach ihm. „Blöde Katze, geben Skritt Glänziges wieder!“, „Skritt machen dich fertig!“, „Wir viele, wir stark!“, riefen sie dabei, aber die Angriffe brachten Kor nicht einmal ins Schwanken. Mit präzisen Hieben und Stichen trieb er die Skritt auseinander und ließ ihre Geschosse an seinem Schild oder seiner Rüstung abprallen.
Er antwortete auf die Rufe der Skritt mit Knurren und Fauchen und meinte zwischen seinen Hieben: „Ihr blöden Riesenratten, in dem Sack ist nicht einmal etwas Glänziges drin. Im Sack sind weder Metalle noch anderes, was glänzen könnte, das hätte ich beim Tragen bemerkt. Also haut ab und lasst mich in Ruhe!“
Die Skritt merkten schnell, dass sie nicht gegen den Charr ankamen. Ihr wütendes Gequieke verwandelte sich schnell in ein ängstliches Gefiepe und dann flohen sie Hals über Kopf vor dem Charr mit seinem scharfen Schwert. „Dumme Katze, Skritt kommen wieder!“, rief einer noch, bevor die Skritt verschwunden waren.


Kor schnaubte nur und untersuchte den Sack, ob er Löcher bekommen hatte. Aber bis auf ein paar Schleifspuren und dreckige Handabdrücke war der Sack unversehrt. Er schulterte ihn wieder und machte sich auf den Weg zum Dorf Cathal. Dieses Mal achtete er auch noch zusätzlich auf verdächtige Stellen auf dem Boden.
„Blöde Ratten“, brummte er immer wieder auf dem Weg. „Das habt ihr euch wohl so gedacht, einen Charr einfach so ausrauben zu können. Aber dazu braucht es mehr als nur eine Handvoll von euch kleinen Biestern.“
Und immer, wenn er ein Quieken in seiner Nähe hörte, fauchte Kor wütend in die Richtung, woraufhin das Quieken schlagartig verstummte.
Doch irgendwann trat er aus den Ruinen raus und das Dorf Cathal hieß ihn mit seinen Lichtern willkommen.

Kapitel 20: Schnee im Dschungel

Kor kam nach Einbruch der Dunkelheit in Cathal an, aber noch sah er in den meisten Häusern Licht brennen. Das Dorf war umgeben von großen Ranken, die wohl als Zaun dienten. Kor ging zu einer der Öffnungen in diesem Zaun, wo auch mehrere Hainhüter Wache hielten.
„Hallo“, begrüßte er die Hüter, „mein Name ist Kor und ich suche eine Bleibe für die Nacht, könnt ihr mir helfen?“
„Guten Abend, Charr, ihr seid weit weg von der Schwarzen Zitadelle. Wir haben hier nicht oft Besucher, aber ich bin sicher, wir können euch ein Bett zur Verfügung stellen. Folgt mir“, begrüßte ihn einer der Hüter seinerseits.
Er drehte sich um und Kor folgte ihm in das Dorf. Er bemerkte schnell, dass es hier sehr viele dieser Farnhunde gab und fragte daher: „Sagt, warum laufen hier so viele Hunde herum? Sind das alles Streuner?“
„Aber nein“, meinte der Hüter, ging zu einem der Farnhunde, die überall verstreut herumlagen und dösten, und streichelte ihn liebevoll. „Wir bilden diese Hunde aus, damit sie später an unserer Seite mitkämpfen können. Sie unterstützen uns in den Gefechten und werden nahezu überall eingesetzt. Aber dafür muss man sie natürlich erst einmal trainieren und das passiert unter anderem hier.“
„Ich verstehe“, antwortete Kor. Sie gingen weiter und der Hainhüter blieb kurz danach vor einem Haus stehen. „So, hier könnt ihr die Nacht verbringen, fühlt euch wie zu Hause, ich muss wieder auf meinen Posten zurück“, sagte er zum Charr und verabschiedete sich von ihm.


Der Charr sah sich in dem Haus ein wenig um, fand schnell das Bett und zog seine Rüstung aus. Er merkte dabei, wie dreckig diese geworden war, seufzte, holte dann einen Lappen heraus und entfernte zumindest die größten Dreckstellen. Er sah auch, dass überall Kratzer und Dellen waren. Die Kämpfe und Klettereien hatten der Rüstung nicht gut getan, was aber wahrscheinlich auch daran lag, dass Kor so gekämpft hatte, als ob er seine Kampfrüstung getragen hätte. So gesehen war es schon erstaunlich, dass die Rüstung nur Kratzer und Dellen aufwies. Nachdem er also seine Rüstung notdürftig gesäubert hatte, legte er sich schlafen und glitt schon bald in das Reich der Träume.
Am nächsten Morgen wachte er früh auf, denn die Sonne traf hin mit ihren ersten Strahlen direkt ins Gesicht. Kor stand auf, musste einmal niesen und zog dann seine Rüstung wieder an.
Er ging zurück zum Eingang, durch den er gestern das Dorf betreten hatte und grüßte den Hainhüter, der ihm geholfen hatte: „Guten Morgen, ich wollte mich noch einmal bedanken, dass ihr einem Fremden ein Bett überlassen habt.“
„Oh, keine Ursache, ich hoffe es war nicht zu eng. Ich habe in meinem Haus nicht oft Charr zu Besuch“, meinte der Hüter.
„Ach, das war euer Haus?“, fragte Kor verwundert. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen, ein einfaches Gästebett wäre doch genug gewesen.“
Der Hainhüter winkte ab: „Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging, also warum auch nicht, schließlich sind wir keine Feinde.“
Kor antwortete: „Nun, dann bin ich sehr dankbar, dass ihr mir sogar euer Bett zur Verfügung gestellt habt. Ich hoffe, ihr werdet einen angenehmen Tag haben.“
Der Hüter nickte und sagte: „Auch euch eine gute Weiterreise.“


Dann ging Kor weiter, nahm den schmalen Pfad zwischen den Felsen und landete kurz darauf in der Provinz Metrica. Dort wandte der Charr sich nach Süden und folgte der Straße. Laut Karte sollte er erst an der Arterium-Freistatt vorbeikommen, bevor er Desider Atum erreichen würde.
Auf dem Weg dorthin hatte Kor wieder Zeit, seine Umgebung zu begutachten. Auch hier war es ziemlich grün, wenn auch nicht ganz so wie im Caledon-Wald. Es gab mehr Felsen und offene Flächen. Zudem gab es hier viel mehr technische Geräte und Türme, die immer wieder sichtbar wurden zwischen Bäumen und Felsen. Viele gaben ein Summen von sich, aber Kor kam an keinem dieser Türme wirklich nah genug vorbei, als dass er sich diese Gebilde näher hätte anschauen können.
Zusätzlich zu den Türmen sah er auch immer wieder schwebende Maschinen, die es an verschiedenen Stellen schneien ließen – zumindest sah es nach Schnee aus. Sie bewegten sich außerdem langsam voran. Asura, dachte er sich dabei, was auch immer sie sich dabei denken, Schnee überall zu verteilen. Verstehe einer diese Kleinen.


Gegen Mittag kam er in der Freistatt an und kaufte sich dort etwas zu essen, denn auf dem Weg hatte sein Magen lauthals vermeldet, dass er seit gestern früh nichts mehr zum Verdauen bekommen hatte. Also kaufte Kor sich ein ordentliches Fresspaket und fragte dabei den Verkäufer: „Was hat es eigentlich mit diesen schwebenden Dingern auf sich, die hier überall Schnee verteilen?“
Der Verkäufer, ein Asura, erwiderte: „Ah, ihr habt also unsere Schnee-o-Maten der Serie 4 Modell 3.6 gesehen. Wunderbar, oder? Mit einem neuen Energiekern haben wir es geschafft, ihre Effizienz noch weiter zu erhöhen. Sie können jetzt mit weniger Energie eine größere Fläche mit magischem Schnee bedecken.“
„Ähm, ja, das war aber nicht ganz das, was ich wissen wollte“, meinte Kor. „Wieso lasst ihr diese Schnee-was-auch-immer überhaupt herumfliegen?“
„Nun, bald ist Wintertag, ein Fest, das die Menschen jedes Jahr feiern. Ein Fest der Gemeinschaft, Freundschaft und Liebe und wir Asura helfen immer aus. Eine bessere Feldstudie in dieser Größenordnung könnten wir selber gar nicht entwickeln für diverse Erfindungen, weiterentwickelte Golems und neue Spielzeuge“, antwortete der Asura.
„Aha, Wintertag. Etwas Menschliches also. Nun gut, dann will ich euch mal nicht weiter stören“, meinte Kor und wandte sich ab.
„Solltet ihr Anomalien an den Schnee-o-Maten finden, sagt einem Asura Bescheid, sofern ihr dazu noch in der Lage seid. Wir werden uns des Problems dann zeitnah annehmen“, rief der Asura ihm noch hinterher.
Kor erwiderte nichts weiter darauf, aß auf dem Weg nach Desider Atum, machte aber einen großen Bogen um die schwebenden Maschinen, wenn er ihnen über den Weg lief. Die Worte des Asura hatten ihn doch etwas verunsichert. ‚Wenn ich dann noch in der Lage bin‘, dachte er beklommen, als er wieder einen Schnee-o-Maten hinter sich gelassen hatte. Hört sich ja an, als seien diese Dinger noch in der Experimentierphase.
Am Nachmittag kam er schließlich in Desider Atum an, einem Handelszentrum in der Provinz Metrica.

Kapitel 21: Kochen will gelernt sein

In Desider Atum herrschte geschäftiges Treiben. Asura liefen herum, bastelten an irgendwelchen Geräten herum, wo sie anscheinend gerade Platz fanden. Golems liefen umher und trugen Gegenstände von einem Ort zum anderen und Händler liefen herum und suchten nach Waren, die sie benötigten.
Da die meisten Leute hier Asura waren, kam sich Kor noch größer vor, als er es ohnehin schon war, und traute sich fast nicht, einen Fuß aufzusetzen – aus Angst, einen Asura darunter zu haben. Langsam schob er sich vorwärts und suchte dabei nach einem weißen Asura, der wie ein Koch aussehen könnte.
Nachdem er eine Weile gesucht hatte und noch immer keinen Asura in weißer Kleidung gesehen hatte, beschloss er, einen Händler zu fragen: „Guten Tag, ich suche einen gewissen Asura, äh … Flimm heißt er, glaube ich. Er ist Koch und trägt weiße Sachen.“
„Flimm sitzt dort in dem kleinen Gebäude“, antwortete der Asura und zeigte auf eine kleine Hütte, „aber passt auf, was ihr von dem esst, wenn er euch etwas anbietet. Flimm nimmt es mit den Rezepten nicht so genau. Der Zucker- und Fettanteil ist oft um einen signifikanten Prozentsatz erhöht in seinen Speisen und bei eurer Körperstatur wäre ich entsprechend vorsichtig.“
Kor nickte, wandte sich der Hütte zu, stutzte und drehte sich noch einmal um: „Sagt mal, habt ihr mich gerade ‚fett‘ genannt?“
Der Asura sah ihn an, sein Blick ruhte kurz auf dem Schwert an der Seite des Charr, und meinte dann betont ruhig: „Kräftig, nicht fett.“
„Schon besser“, knurrte Kor und ging dann zur Hütte des Kochs.


Dort sah er einen geschäftigen Asura, der gerade mehrere Zutaten in den Behälter einer Maschine kippte, danach ein paar Knöpfe drückte, woraufhin die Maschine begann, die Zutaten miteinander zu vermischen. Kor wartete, bis er dachte, dass der Asura mit seiner Arbeit fertig war und räusperte sich dann, um auf sich aufmerksam zu machen.
Der Asura winkte kurz, betätigte noch zwei Hebel und drehte sich dann um. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht sagte er zum Charr: „Ein Kunde, willkommen in Flimms kleinem Bastel- und Schlaraffenland. Meine Wenigkeit ist Flimm, was kann ich für euch tun?“
„Hallo, ich bin Kor Zermalmkralle, Soldat der Blut-Legion, und bin in einem Auftrag unterwegs. Dieser beinhaltet, dass ich einen Sack abholen soll. Leider gab es ein paar ungeplante Zwischenfälle, in deren Folge ihr einen Teil des Inhalts erworben habt, der eigentlich meinem Trupp zusteht“, erklärte er sein Auftauchen.
„Hmm, verstehe. Und jetzt wollt ihr mir den Sack abkaufen. Nun, wenn wir davon ausgehen, dass eure Geschichte stimmt – und ich kann mir beim Inhalt des Sacks nicht vorstellen, warum ihr deswegen lügen solltet –, dann habt ihr natürlich ein größeres Anrecht darauf als ich“, überlegte Flimm. „Aber bedauerlicherweise benötige ich den Inhalt dieses Sacks ebenfalls, sonst hätte ich ihn ja nicht gekauft. Sagt, ihr könntet nicht zufällig auf den Sack verzichten?“, fragte der Asura Kor.
Dieser erwiderte: „Nein, das geht nicht. Der Sack ist für eine Operation, die wir durchführen, sehr wichtig. Mir wurde jedoch nichts Genaueres mitgeteilt, also kann ich auch nicht nach einer Alternative suchen.“
Der Asura blickte etwas verwundert: „Warum brauchen Charr diesen Sack bitte für eine Operation? Muss ja ein sehr merkwürdiger Plan sein. Aber da will ich mich nicht einmischen.
Nun, da ihr keine Alternative anbieten könnt, muss ich mir wohl etwas ausdenken.“ Er seufzte und begann, ein wenig herumzulaufen.


Gleich darauf blieb er stehen, schaute sich den Charr an und fragte ihn: „Sagt, habt ihr in eurem Leben schon einmal etwas gekocht?“
„Nicht wirklich“, meinte Kor. „Hab früher mal ein wenig was ausprobiert, war aber nichts für mich.“
„Also ein Nein“, stellte Flimm fest. „Hmm, aber kräftig seid ihr. Könnt ihr kneten, Teig zum Beispiel?“, fragte er weiter.
„Ich denke schon“, antwortete der Charr verwirrt.
„Nun, immerhin etwas. Gut, ich habe mich entschieden. Ihr werden Keksteigkugeln für mich machen“, sagte der Asura und klatschte in die Hände.
„Keksteigkugeln?“, fragte Kor noch verwirrter.
„Richtig. Wisst ihr, eigentlich wollte ich demnächst mit dem Sack den Kindern hier eine Freude machen, aber da ihr ein größeres Anrecht darauf habt, muss ich ihn an euch abgeben. Also muss ich den Kindern etwas anderes anbieten, sonst wären sie ja enttäuscht und wer will schon traurige Kinder sehen. Also habe ich entschlossen, dass ich ihnen stattdessen Kekse anbieten werde. Und ihr werdet mir dabei helfen, denn ich habe immerhin für den Sack gezahlt und dieser Faktor darf in der Gleichung nicht fehlen. Durch eure Hilfe wird dieser Teil der Gleichung aber aufgehoben“, erklärte Flimm.
„Ah ja“, erwiderte Kor nur.
„Und jetzt lasst uns mal sehen, wie wir am schnellsten fertig werden“, meinte der Asura holte ein Maßband und nahm eine Pranke des Charr, um diese auszumessen.
Der fragte verwundert: „Was macht ihr denn jetzt schon wieder?“
„Ich messe aus, wie groß eure Pranken sind. Euch ist sicherlich aufgefallen, dass meine Hände geringfügig kleiner sind als eure. Ich kann natürlich Teig nur in kleineren Mengen kneten. Auch meine Maschine ist langsamer als ihr, allein schon aus dem Grund, dass ich nur eine habe, die Teig kneten kann. Ich muss also meine Rezepte an eure Größenordnung anpassen“, erklärte Flimm seine Handlung. „Hmm, erstaunlich, eine Fläche von ca. 284,35 cm²“, murmelte er, „auf das Volumen umgerechnet … hmm, ja, zwölf Portionen sollten dann reichen.“


Dann ließ er die Pranke los und ging in eine Ecke. Zum Charr gewandt rief er: „Hier sind Säcke mit Zucker und Mehl, die werdet ihr brauchen.“ Er zeigte auf eine Truhe: „Dort findet ihr Eier und Butter.“ Dann kletterte er auf einen seiner Arbeitstische und versuchte, ein paar große Schüsseln aus einem hohen Regal zu holen. Kor kam ihm zu Hilfe und holte die Schüsseln für ihn herunter.
„Danke“, meinte Flimm, „und das sind die Schüsseln, in denen ihr die Zutaten zu Teig mischen werdet. Wir brauchen zwölf Schüsseln voll. Ich habe ausgerechnet, dass ihr pro Schüssel jeweils 17 Säcke Zucker und Mehl braucht und auch 17 Eier und Stücke Butter. Dann müsst ihr nur noch kneten. Mit euren großen Pranken sollte das ja kein Problem sein.“
„Halt, halt. Ich soll jetzt wirklich unter die Köche gehen und backen und kochen?“, hob Kor abwehrend die Hände. „Aber nein“, erwiderte Flimm, „Ihr müsst nur Teig kneten, den Rest kann ich dann machen.“
„Na gut, wenn es wirklich nicht mehr ist, kriege ich das noch hin“, meinte Kor. Dann wusch er sich seine Pranken und machte sich daran, die erste Schüssel mit den Zutaten zu füllen, um sie dann zu einem Teig zu kneten. Dabei dachte er: Jetzt werde ich auch noch Koch … Zuerst die Sache mit den Kindern in Löwenstein, dann die peinliche Sache mit den beiden Sylvarifrauen und jetzt das hier. Es darf wirklich niemand erfahren, was ich auf dieser Reise alles machen musste. Ich könnte mich ja bei keinem Trupp mehr blicken lassen … Vielleicht muss ich dann ja sogar in die Flammen-Legion! Nein, das darf nicht passieren. Ich werd’ einfach mein Maul halten und dann wird das schon.
Und so knetete Kor den Rest des Tages Keksteigkugeln. Flimm schaute dabei immer wieder über seine Schulter, bzw. darunter, prüfte den Teig und gab ihm dann immer neue Anweisungen, worauf er noch zu achten habe.


Spät am Abend, die Sonne war kaum noch zu sehen, hatte der Charr endlich seine zwölfte Schüssel fertig geknetet. Er war fix und fertig, seine Arme taten weh und er war vollgekleckert mit Eierresten, Mehlstaub und Butterstücken.
„Wunderbar“, meinte Flimm, „und schon sind wir fertig. Mit meiner Maschine säße ich morgen noch daran, so viel Teig zu kneten. War doch gar nicht so schwer, oder?“
Kor schnaubte nur, zu müde, um irgendetwas zu erwidern.
Flimm stellte die Schüsseln weg, räumte auch alles andere auf, betätigte dann ein paar Hebel an einer Wand und die ganzen Arbeitstische und Truhen verschwanden im Boden. Dafür tauchten ein Bett und ein Regal auf.
Kor fauchte überrascht, doch Flimm meinte: „Nur keine Angst, das sind doch nur ein Bett und ein Regal.
Ich kann euch leider nicht mein Bett anbieten, es ist für Asura konzipiert, aber mit ein paar Laken, Decken und Kissen könntet ihr es euch in einer Ecke vielleicht gemütlich machen. Es sei denn, ihr wollt jetzt noch los und euch anderswo ein Bett besorgen.“
„Nein, danke. Laken reichen“, meinte der Charr. „Wusste nicht, dass ihr hier auch schlaft.“
„Oh, nicht immer, aber wenn ein so großes Fest wie der Wintertag bevorsteht, habe ich oft bis spät in die Nacht zu tun und dann lohnt es sich nicht, zurück nach Hause zu gehen. Also habe ich es mir hier etwas gemütlich gemacht für solche Zeiten“, erklärte Flimm.
„Schon wieder dieser Wintertag“, murmelte Kor, „muss ja wirklich ein großes Ding sein.“
„Oh, das ist es“, meinte Flimm, „aber jetzt lasst uns schlafen, ich habe morgen noch viel vor und muss um Punkt 5:34 Uhr aufstehen.“ Damit legte sich Flimm hin und auch Kor machte es sich in einer Ecke mit ein paar Laken und Decken gemütlich. Nach kurzer Zeit hörte man ein leises Schnurren aus der Ecke und nicht ganz so leise Schnarchgeräusche aus dem Bett.

Kapitel 22: Intelligenzforschung

Am nächsten Tag um Punkt 5:34 Uhr riss der Wecker die beiden mit einem lauten „Beginn-des-neuen-Lichtzyklus.-Erhebe-dein-Gesäß.“ aus dem Schlaf.
Müde streckte sich Kor und wühlte sich dann aus den Laken und Decken heraus. Flimm lag noch im Bett und ignorierte seinen Wecker, indem er ein Kissen über seine Ohren packte, aber der Wecker wurde immer lauter.
Nachdem der Wecker gefühlt ganz Metrica geweckt hatte, gab der Asura auf, erhob sich aus dem Bett und schaltete den Wecker aus. Kor hatte inzwischen die Laken und Decken zusammengefaltet und wieder in das Regal gepackt.
„Guten Morgen“, sagte der Charr zu Flimm.
„Hrpflmgrn“, antwortete dieser, zog sich langsam um, schlurfte dann mit fast geschlossenen Augen zu den Hebeln an der Wand und betätigte diese. Das Bett und das Regal verschwanden und die Arbeitstische und Truhen tauchten wieder auf.
Nachdem Flimm mehrere Minuten einfach nur an der Wand stand, schlurfte er dann zu einer seiner Maschinen, startete diese und wartete, bis dunkle Flüssigkeit eine bereitstehende Tasse gefüllt hatte. Er nahm ein paar Schluck daraus und Kor, der währenddessen unschlüssig in einer Ecke stehen blieb, sah, wie der Asura mit jedem Schluck munterer wurde, die Ohren sich hoben und seine Augen immer größer wurden.
Nachdem die Tasse geleert war, meinte Flimm voller Energie: „So, jetzt geht es. Nichts ist besser als eine Tasse heißer schwarzer Kaffee, um die morgendliche Müdigkeit zu vertreiben. Dann wollen wir mal sehen, wie der Teig aussieht.“


Emsig prüfte er die Schüsseln und nickte zufrieden. „Ja, wunderbar, sehr gut, ausgezeichneter Teig, daraus lassen sich sehr schöne Kekse machen.“ Dann holte er einen anderen Sack, den er nur hinter sich herschleifen konnte, und stellte ihn vor Kor ab: „So, und das ist jetzt eurer. Ich hoffe, ihr werdet Spaß damit haben, was auch immer ihr damit vorhabt.“
„Danke“, antwortete Kor und nahm den Sack an sich. Jetzt hatte er endlich seine beiden Säcke und konnte diesen Auftrag erledigen und danach hoffentlich nie mehr darüber nachdenken. Er musste nur noch zurück in die Schwarze Zitadelle.


Er verabschiedete sich von dem Asura und ging dann in Richtung Rata Sum. Von dort hatte er vor, direkt nach Löwenstein zu reisen und von dort weiter zur Schwarzen Zitadelle. Das waren zwar mehrere Teleportationen direkt hintereinander, aber Kor wollte diesen unglückseligen Auftrag endlich hinter sich bringen.
Er folgte dem Weg und kam nach einer Weile an einem Gebäudekomplex vorbei, vor dem er mehrere Skritt sah, die von verschiedenen Asura befragt wurden.
Kor erinnerte sich an den Vorfall in den Ruinen und trat etwas näher an eine diese Befragungen. Er wollte wissen, was die Asura sich von diesen Wesen erhofften, und hörte leise zu.
Der Asura fragte den Skritt gerade: „Was passiert, wenn man Wasser mit Lumispeck-Pulver kombiniert?“ Der Skritt überlegte kurz und meinte dann: „Mag die Frage nicht.“ Der Asura kritzelte etwas auf ein Blatt und stellte dann die nächste Frage: „Welches Element führt zu einem sofortigen Defekt in einem Aero-Vulkaniphin?“ Der Skritt antwortete wieder mit: „Mag die Frage nicht.“ Wieder schrieb der Asura etwas auf und fragte den Skritt etwas frustriert: „Beschreibt die Struktur eines … ach, schon gut. Erklärt einfach den Meta-Energietransfer oder so etwas.“ Der Skritt rief: „Die Fragen sind schrecklich!“, ließ sich einfach zu Boden fallen und schlief ein.
Der Asura raufte sich die Haare, murmelte: „Und schon wieder ein Fehlschlag“, und ging dann in das Gebäude hinein.
Kor schüttelte den Kopf und ging dann weiter, er hatte keine Ahnung, was der Asura gerade mit diesen Fragen bezweckt hatte. Er hatte die Fragen an sich ja noch nicht einmal verstanden.


Er ließ die Skritt und die Asura dort hinter sich und überquerte am späten Vormittag eine Brücke. Dahinter traf er wieder auf eine größere Anzahl Asura und Golems. Sie standen in Gruppen zusammen und diskutierten wohl über verschiedene Themen. Dieses Mal ließ der Charr sie jedoch in Frieden und ging direkt weiter.
Er nahm noch einmal seine Karte zu Hilfe, damit er sich nicht noch auf dem letzten Stück verirrte, nahm die entsprechenden Wege und kam kurze Zeit später in Soran Draa an.
Soran Draa war ein Vorort von Rata Sum und viele Asura liefen hier herum. Auf der Karte sah Soran Draa schon groß aus, aber erst als Kor hindurchlief, merkte er, wie groß dieser Ort wirklich war. Er sah riesige Gebäude, schwebende Platten, die wohl als Brücken dienten und sogar einen Baum, der auf einem schwebenden Stein stehend seine Blätter zur Sonne ausgebreitet hatte.
Asura liefen geschäftig herum, Friedensstifter schauten sich alle Vorbeigehenden genau an und Golems standen an jeder Ecke. Es waren weit mehr Golems vorhanden, als an allen anderen Orten, die Kor bisher in der Provinz Metrica besucht hatte.
Er sah Golems, die in kleinen Feldern standen und von Asura ferngesteuert wurden, kleine Golems, die Große reparierten, und Golems, die gerade im Begriff waren zu explodieren. Die Asura liefen dann immer schnell weg, Friedensstifter kamen, begutachteten den Schaden und gingen dann wieder, wenn sonst nichts weiter passiert war. Auch die anderen Asura kamen dann wieder zurück, sammelten die Überreste ihrer Golems auf und gingen zurück in ein Gebäude, um die Teile zu entsorgen. Das alles geschah ohne große Hektik. Kor konnte sich das nur so erklären, dass es hier anscheinend zum Alltag gehörte. Er schüttelte den Kopf und schaute sich weiter nach dem Weg nach Rata Sum um.
Diesen fand er nach kurzer Suche im hinteren Teil von Soran Draa und gesellte sich zu der Schlange, die darauf wartete, von den Friedensstiftern die Erlaubnis zu bekommen, Rata Sum betreten zu dürfen.
Als Kor an der Reihe war, tasteten zwei Golems ihn mit je einem Lichtstrahl von oben bis unten ab. Die Friedensstifter warteten den Vorgang ab und als die Golems danach zurücktraten, winkten sie den Charr durch. „Waffen stecken lassen, Charr“, warnte einer der Asura ihn noch. „Solltet ihr Ärger machen, seid ihr schneller im Gefängnis, als ihr 'Ley-infundierter Golem' sagen könnt.“
„Bin nur auf der Durchreise“, meinte Kor und betrat dann das Portal nach Rata Sum, der größten Stadt der Asura.

Kapitel 23: Die Stadt der Wissenschaft

Als Kor aus dem Portal trat, wurde er von ein paar Asura zur Seite gewunken, um anderen Reisenden Platz zu machen. Er war auf einem recht kleinen Platz gelandet, an dessen Rändern insgesamt drei Portale waren. Am Rand des Platzes untersuchte Kor sich erst einmal. Ein Asura beobachtete ihn dabei und meinte dann, gerade noch so laut, dass Kor es hören konnte: „Kein Vertrauen in unsere Portale, aber was soll man auch erwarten. Ist schließlich nur ein Schlägertyp der Charr.“
Kor richtete sich auf, ging auf den Asura zu und sagte ganz ruhig: „Der Schlägertyp würde sich gerne mit dir unterhalten, über Portalreisen und was dabei passierte, bevor ihr diesen technomagischen Kram beherrscht habt.“
Der Asura wurde etwas weiß im Gesicht, als der Charr direkt vor ihm stand, und schluckte laut. Doch bevor er etwas Geistreiches erwidern konnte, gesellte sich ein Golem zu ihnen und fragte: „Gibt-es-hier-ein-Problem?“
„Nein, nein, kein Problem. Der Charr und ich hatten nur ein kleines freundschaftliches Gespräch, aber er wollte gerade weiter“, erwiderte der Asura schnell und trat einen Schritt vom Golem weg. Dieser drehte sich jetzt zu Kor um. Der sah die gute Panzerung und war sich auch sicher, dass die eine oder andere unangenehme Überraschung darunter verborgen war, und meinte: „Richtig, nur ein nettes Pläuschchen unter Freunden, mehr nicht.“ Dann klopfte er dem Asura noch auf die Schulter, etwas kräftiger als es sein musste, und ging weg. Zufrieden hörte er ein leichtes Stöhnen im Hintergrund.


Er ging vom Portalplatz und schaute sich ein wenig um. Kor sah drei Pyramiden an den Rändern und einen riesigen Würfel in der Mitte schweben. Als er näher heranging, sah er, dass diverse Brücken in die Mitte auf einen Platz unter dem schwebenden Würfel führten und dass es noch weitere Etagen unter ihm gab.
Befinde mich also auf der höchsten Etage, dachte er und blickte hoch in den Himmel. Er schüttelte den Kopf, suchte dann einen Friedensstifter auf und fragte: „Guten Tag, ich suche das Portal nach Löwenstein, könnt ihr mir sagen, wo es steht?“
Dieser erwiderte brüsk: „Für Wegbeschreibungen bin ich nicht zuständig oder sehe ich aus wie ein GYDE-561?“
„Ein was?“, fragte Kor verwirrt.
„Für Wegbeschreibungen sind die GYDE-561 zuständig, kleine Golems. Fragt so einen, wenn ihr ein Portal sucht. Dort drüben steht einer“, antwortete der Asura und zeigte auf einen kleinen schwebenden Golem.
Kor schaute den Asura an, der zeigte aber weiterhin auf den Golem. Der Charr gab sich geschlagen und ging auf die kleine, schwebende Maschine zu. „Ich wollte doch nur wissen, wie ich nach Löwenstein komme. Hätte er mir doch auch einfach sagen können, diese engstirnige Ratte“, murmelte er auf dem Weg.
Beim Golem wiederholte er seine Frage. Der Golem erwiderte: „Karte-bitte.“ Kor holte sie heraus und suchte den Ausschnitt von Rata Sum. Als er sie dem Golem hinhielt, zeigte er mit einem seiner dünnen, mechanischen Arme auf eine Stelle. Kor sah sie sich an und fragte dann: „Hmm, verstehe, und wo stehen wir gerade?“
Der Golem zeigte mit seinem anderen Arm auf eine andere Stelle und sagte: „Dort.“ Der Charr schaute sich die beiden Punkte an und dachte: Ist ja recht nah, muss nur an dieser einen Pyramide vorbei. „Ähm, danke“, meinte er zum Golem. Dieser zog seine Arme wieder ein und dreht sich zu einer anderen Person hin, die auf ihn zu ging.


Kor zuckte die Schultern und machte sich auf den Weg. Er kam an einer Pyramide vorbei, die in violettes Licht getaucht war und in der eine Menge Asura herumliefen. Er wollte gar nicht weiter wissen, was dort alles erforscht wurde, und ging deswegen einfach weiter. Im Vorbeigehen hörte er verschiedene Diskussionen. „… nicht anpassungsfähig genug, müssen …“, „Meine Theorie lautet, dass diese neue Verbindung eine erhöhte …“, „Exzelsior, endlich geschafft! Wir werden …“, „… Finger davon, die elektromagnetische Verriegelung ist noch …“. Für Kor ergaben all diese technischen Begriffe keinen Sinn, aber er war sich sicher, dass die Eisen-Legion hier ihren Spaß hätte.


Als er beim Platz angekommen war, wo das Portal nach Löwenstein stand, sah er eine lange Schlange davor. Kor stellte sich an und bereitete sich auf eine lange Wartezeit vor.
Während es Stück für Stück vorwärts ging, beobachtete er ein paar Asura, die an einem Portal in der Nähe arbeiteten. Er sah auch besonders kleine Asura herumlaufen, alleine oder in Gruppen. Hmm, das sind wohl deren Kinder, dachte er, man, sind die klein, die gehen doch sicherlich ständig verloren oder fallen in irgendwelche kleinen Löcher.
Irgendwann war Kor an der Reihe. Wieder leuchteten ihn zwei Golems ab und dann wurde er durch das Portal gewunken.


In Löwenstein traf ihn die kalte Luft wie eine Wand und Kor sog erst einmal scharf die Luft ein. Nach dem Caledon-Wald und der Provinz Metrica kam ihm die Luft hier besonders eisig vor. Schnee fiel gerade in dicken Flocken herunter und er sah überall Menschen, Asura und Sylvari in dicker Kleidung herumlaufen. Von irgendwo erklangen ein Glockenspiel und fröhliche Chorgesänge. Neben den allgemeinen Gerüchen, die er noch vom letzten Besuch in Erinnerung hatte, kam jetzt noch der Geruch gebrannter Mandeln und Zimt hinzu. Insgesamt war das eine doch recht unangenehme Mischung, wie er fand. Er schnaubte einmal durch die Nase und stellte sich dann gleich am nächsten Portal an, das ihn dieses Mal zur Schwarzen Zitadelle führte. Die Schlange hier bestand nur aus drei Personen und anders als in Rata Sum gab es auch keine große Kontrolle. Er prüfte noch einmal, ob die Säcke keine Risse hatten und ging dann hindurch, zurück in seine geliebte Heimatstadt.


Aus dem Portal ausgetreten sog Kor den vertrauten Geruch seiner Heimatstadt ein, der Geruch von Metall, Öl und Feuer. Er sah die Denkmäler bedeutender Charr sowie den Kommandokern und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Zu Hause war es doch immer noch am schönsten.
Mit seinen Säcken ging er die Brücke längs und in Richtung Heldenbezirk, zum Quartier seines Trupps. Dabei freute er sich, wieder unter Charr zu sein und deren ruppigen Gesprächen zuzuhören.

Kapitel 24: Froher Wintertag!

Im Heldenbezirk angekommen blieb Kor überrascht stehen. Mitten auf dem Platz, zwischen all den Unterkünften und Übungsplätzen, stand der größte Tannenbaum, den Kor jemals gesehen hatte. Er war riesig, seine Spitze ragte weit über die größten Fahrzeuge der Eisen-Legion heraus.
Ein Charr stellte sich neben Kor und betrachtete den Baum ebenfalls. Kor erkannte ihn als Jik Stahlzermalmer. Dieser meinte: „Ziemlich groß, oder?“
„Allerdings“, antwortete Kor. „Du solltest doch in die Baumgrenzen-Fälle …“
„Richtig, und was du dort vor dir siehst, das war das Paket, was ich abholen sollte“, erwiderte Jik und zeigte auf den Baum.
Kor schüttelte ungläubig den Kopf: „Wie hast du es geschafft, dieses Ungetüm hierherzuschleifen?“
„Glaub mir, als mir der Asura gesagt hat, dass das die Lieferung wäre, hab ich zuerst losgelacht, aber der Asura blieb vollkommen ernst“, erklärte Jik, „Hab dann gemerkt, dass das kein Scherz war und zusammen mit dem Asura haben wir dann eine Art Schlitten mit Motor zusammengebastelt, womit ich den Baum dann hierherziehen konnte. War aber immer noch eine ungeheure Plackerei.“
„Der Baum ist riesig, mindestens 20 Schritte groß“, sagte Kor.
„21,5 Schritte, hab ich nachgemessen, also circa 30 Meter. Der Asura war natürlich mit diesem Maß nicht zufrieden, viel zu ungenau, und maß selber noch einmal nach. Hat mir dann reingedrückt, dass der Baum genau 30,67 Meter groß sei“, meinte Jik.
„Heftig“, sagte Kor.
„Jep“, nickte Jik.
„Sag mal, ist das Schmuck da auf dem Baum?“, fragte Kor weiter.
„Richtig, der Baum ist geschmückt, dafür waren ein paar andere aus dem Trupp zuständig. Sollten wohl Sachen basteln und zusammensuchen, die als Schmuck dienen konnten. Tja, und dann haben sie angefangen, den ganzen Bezirk damit vollzuhängen“, erklärte Jik und umfasste mit einer Armbewegung den ganzen Platz vor sich.
Kor sah sich um und erkannte, dass in der Tat überall Schmuck hing, Girlanden, Fähnchen, irgendwelche Figuren und noch vieles mehr. Er wurde aus alledem nicht schlau. Jik sah das, lachte und meinte dann: „Geh zu Torren, der erklärt dir alles. Sollte irgendwo in der Nähe vom Baum stehen“, und klopfte ihm auf die Schulter.


Kor ging hin und sah Kommandant Zermalmschwert, der gerade mit Garck redete.
Als Torren ihn sah, winkte er Garck weg und ging auf Kor zu. „Melde mich gehorsamst zurück“, salutierte Kor. „Habe den Auftrag ausgeführt.“ Dann stellte er die beiden Säcke vor Torren auf den Boden.
Torren salutierte ebenfalls: „Sehr gut Soldat, gab es irgendwelche Schwierigkeiten?“ Kor dachte an die ganzen Kämpfe, die Kinder in Löwenstein, die Sylvarifrauen im Dorf Astorea und die Kochstunden bei Flimm und sagte: „Keine, Sir.“ Niemand darf davon erfahren, dachte er grimmig.
„Sehr schön. Ihr fragt euch sicherlich, was das hier alles soll. Ich werde es euch erklären. Wisst ihr, was in den Säcken ist, die ihr die ganze Zeit herumgetragen habt?“, fragte Zermalmschwert ihn.
„Nein, Sir, das war auch nicht nötig, um den Auftrag auszuführen“, antwortete Kor. „Dann schaut jetzt mal rein“, forderte der Kommandant ihn auf.
Kor öffnete einen Sack und griff hinein. Er holte eine Handvoll Stangen heraus, weiß-rot gestreift, und blickte den Kommandanten fragend an.
„Das sind Zuckerstangen“, erklärte dieser.
„Und was machen wir mit denen?“, fragte Kor.
„Natürlich essen – oder besser gesagt schlecken“, meinte Zermalmschwert.
„Und das soll uns irgendwie gegen die Geister helfen, wenn wir denen etwas vorschlecken?“, fragte Kor skeptisch.
Torren schüttelte den Kopf und meinte: „Ihr müsst größer denken, Soldat, strengt euer Hirn mal an und schaut über euren Horizont hinaus.“
Kor überlegte und fragte dann vorsichtig: „Die ganze Legion soll Zuckerstangen vor den Geistern schlecken?“
„Ich sagte, ihr sollt euren Grips benutzen, Zermalmkralle“, antwortete Torren grimmig, „das hat nichts mit den Geistern zu tun. Seht ihr den Baum hinter mir? Und all den Schmuck um uns herum? Wir bereiten eine Feier vor, ein Fest, was wir bisher noch nicht hatten. Bei den Menschen und Asura ist dieses Event ziemlich bekannt. Wintertag, schon mal gehört? Das werden wir dieses Jahr auch feiern.“
Kor schaute seinen Kommandanten ungläubig an, sah dann auf seine Säcke, dann auf den Baum und auf den Schmuck um sich herum. Dann begann er zu lachen und Zermalmschwert stimmte mit ein. „Hat ja lange gedauert, bis ihr das kapiert habt“, meinte Torren. „Es sollte mehr als nur den Kampf gegen die Geister im Leben eines Charr geben und ich hab mir gedacht, dass dieses Fest der Einigkeit und was die Menschen sonst noch dazu sagen, vielleicht ganz nett wäre. Da habe ich unseren Tribun gebeten, ob wir das alles hier organisieren könnten. Der war sofort einverstanden damit. Tja, und das Ergebnis seht ihr ja jetzt. Heute Abend geht es los, ihr habt es gerade noch rechtzeitig zurück geschafft.“


Kor entfernte sich grinsend und schaute sich den Bezirk genauer an. Jetzt sah er alles in einem neuen Licht und schließlich ergab auch der Baum und der Schmuck einen Sinn. Er schaute sich die Fähnchen an, die irgendwelche Zeichen hatten. Beim näheren Betrachten erkannte Kor schlechtgezeichnete Charr, Panzer, Asura, Sylvari, Menschen und Norn. Er ging an Garck vorbei, der gerade einen Pfosten aufstellte, an dem schon weitere Fähnchen hingen, und stutzte. „Sag mal Garck, ist das da das geplatzte Kanonenrohr eines Panzers?“
„Jau, der Kommandant meinte, dass ich noch ein paar Pfosten aufstellen soll und die lagen halt noch so herum“, antwortete dieser.
„Glaubst du nicht, dass die scharfen Kanten ein wenig gefährlich sind?“, fragte Kor vorsichtig nach.
Garck sah sich die Stellen an und meinte dann schulterzuckend: „Könntest recht haben. Schleifen wir sie nachher ein wenig, dann passiert schon nichts.“
Und so gingen die letzten Vorbereitungen für das Fest weiter und Kor half noch ein wenig mit.


Am Abend dann rief Torren den ganzen Trupp zusammen und bedankte sich für die Hilfe. Er hoffe, dass ihnen dieser Abend gefallen würde. Er wies auf das Buffet hin, vollgepackt mit Essen aller Art, auf den Baum mit den Geschenken, ein Geschenk für jeden aus dem Trupp, auf das Orchester im Hintergrund und die zu Tanzflächen umfunktionierten Übungsplätze.
Nach und nach trafen dann noch weitere Gäste ein, die der Kommandant eingeladen hatte. Andere Trupps wurden herangewunken und sogar Tribun Brimstone ließ sich blicken.
Kor lief herum und quatschte mit dem einen oder anderen Charr und traf irgendwann Zerma. Zusammen gingen sie über das Festgelände.
„Was solltest du eigentlich holen?“, fragte er sie.
„Geschenke“, antwortete Zerma und zeigte auf ein paar Päckchen, die noch nicht ausgepackt waren. „Eine ganze Wagenladung voll durfte ich hierherziehen, und du?“
„Zuckerstangen“, meinte Kor und hielt ihr eine hin. Zusammen schleckten sie an ihren Stangen und gingen weiter.


Dann sah Kor eine bekannte Gestalt beim Kommandanten und ging zu ihr hin. Diese sah den Charr und rief ihm lachend entgegen: „Na, wen haben wir denn da, mein aufbrausender haariger Freund. Hab ich nicht gesagt, dass die Welt klein ist und wir uns bald wieder sehen?“
„Lissa Blutmesser“, begrüßte Kor sie, „was macht ihr denn hier?“
„Feiern natürlich, wonach sieht es denn aus?“, antwortete sie lachend und trank einen Schluck Glühwein.
„Das meinte ich nicht“, versuchte es Kor erneut.
„Lissa ist meine Tochter“, meinte Torren und Kor und Zerma blickten ihn verwirrt an. „Naja, nicht meine wirkliche Tochter, das ist ja wohl klar, aber ich habe sie aufgezogen, zumindest ein wenig. Hab sie gefunden, als sie noch ein kleines Mädchen war, ausgesetzt von ihren Eltern. Hab sie in ein Waisenhaus gebracht und sie dort immer wieder besucht und Zeit mit ihr verbracht. Glaube, von mir hat sie auch den Hang zu Abenteuern,“ erklärte er.
„Das Leben wäre ohne ja auch langweilig, Papa“, antwortete Lissa grinsend. „Ich bin dann mal weiter, Schmusel.“ Beim letzten Wort verzog Torren das Gesicht und Kor und Zerma begannen zu kichern.
Mit mörderischem Blick sagte er zu Kor und Zerma: „Wenn ich mitbekomme, wie mich jemand so nennt … wenn das auch nur einer von euch denkt, zieh ich euch das Fell über die Ohren, klar?!“
Die beiden wurden sofort wieder ernst und sagten: „Klar, Sir!“ Torren nickte zufrieden und reichte den beiden dann je eine Tasse Glühwein.


Zusammen tranken sie genüsslich ein paar Schluck, als jemand an Kors Bein tippte. Dieser schaute nach unten und sah einen Asura vor sich stehen. „Flimm, was macht ihr denn hier?“
„Ich habe euch gesucht. Ich wollte euch noch etwas geben“, meinte dieser und zeigte auf einen großen Haufen Kekse.
Kor fragte: „Waren die nicht für die Kinder gedacht?“
„Oh, die haben mehr als genug, glaubt mir. Ich muss aber gestehen, dass ich mich ein klein wenig verrechnet hatte bei der Menge an Teig und, nun ja, diese Kekse sind übrig. Und da ihr ja den Teig gemacht habt, dachte ich mir, dass diese Kekse euch zustehen,“ erklärte der Asura grinsend.
„Höre ich da richtig,“ brummte Torren hinter Kor, „ihr seid jetzt also unter die Köche gegangen? Hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt nicht weiter auffallen? Ich könnte darüber nachdenken, euch für die Nahrungsversorgung des Trupps verantwortlich zu machen.“
Kor stammelte vor sich hin und der Kommandant fing an zu lachen. „Kleiner Scherz, Zermalmkralle, zum Koch werd ich euch garantiert nicht machen, dazu seid ihr ein zu guter Soldat an der Front.“ Erleichtert atmete Kor aus und lachte dann auch, Zerma und Flimm stiegen mit ein.


Und so lief die Feier weiter. Überall wurde getanzt, gelacht, gegessen und getrunken oder Geschenke ausgetauscht und jeder hatte seinen Spaß. Kor und Zerma waren noch bis spät in die Nacht wach und beide hofften, dass es nächstes Jahr wieder so ein Fest geben würde.