Ostern 2018: Geschichte – Ei 6: Balthasar
24. Vorsicht, heiß, heiß, heiß!
Isengora und Grimma bekommen die Hasen serviert, die der Koch extra für sie zubereitet hat, doch zwei stille Beobachter bemerken, dass die beiden trotz Hunger im Essen herumstochern, ohne wirklich zu essen. Am Ende suchen sie den Schlafbereich auf und legen sich hin, als es an der Tür klopft. Mit schweren Schritten geht Isengora zur Tür und öffnet. Priesterin Kutay verweilt vor der Tür und lächelt. „Dwayna zum Gruße. Ich weiß, Ihr seid Müde. Ich hoffe, Ihr habt trotzdem kurz für mich Zeit.“ Da steht auch Grimma auf und kommt zur Tür. „Bitte“, antwortet die Charr, „komm doch rein.“ Schnell schlüpft Kutay durch die Tür und setzt sich zu den beiden auf ein Bett. „Mir ist aufgefallen, dass Ihr wenig Hunger hattet.“ – „Ja, das Hühnchen war nicht so saftig wie gedacht“, meint Grimma. „Und bei Dir, Isengora?“, fragt Kutay. „War das Hühnchen bei Dir auch so trocken?“ Doch Isengora sagt nichts, sie sitzt auf ihrem Bett und schaut ins Leere. Kutay schüttelt den Kopf. „Ich habe mit Ogden gesprochen. Er hält es für eine gute Idee, wenn Silas und Kaia Freunde um sich hätten. Es würde ihre Heilung unterstützen.“ Da reißt Isengora den Kopf hoch. „Das heißt, wir haben die Erlaubnis, bei den beiden zu übernachten?“, fragt sie aufgeregt. Kutay lächelt und meint: „Seid leise und lasst sie schlafen, wenn Ihr euch reinschleicht. Sie sind drei Räume weiter nach rechts und ach ja, bevor Ihr verschwindet, hier habe ich für Euch beide noch Stücke von dem trockenen Hühnchen.“ Während Isengora und Grimma das Essen runterschlingen, verlässt Priesterin Kutay das Zimmer. Anschließend schleichen unsere zwei auf leisen Sohlen und Pfoten drei Räume weiter. Sie öffnen die Tür und bemerken die einzelne Kerze, welche den Raum mit ein wenig Licht erfüllt. Links im Bett liegt Silas und rechts Kaia. Ein weiteres Bett gibt es nicht, was aber nicht stört. Grimma und Isengora entscheiden sich, wie Wächter vor den Betten der beiden ihren Platz einzunehmen, um dann trotz ihrer Wächtertätigkeit schnell und traumlos einzuschlafen.
Grimma. Isengora. Grimma. Isengora. Eine leise Stimme wie aus einer weit entfernten Welt erreicht das Ohr von Grimma und weckt sie auf. Vorsichtig blinzelt sie und versucht herauszufinden, wo die Stimme herkommt, die da ruft, als ihr schlagartig bewusst wird, wer der Rufer aus der Ferne ist. „Silas!“ Mit einem Schlag ist Grimma wach, schüttelt Isengora durch und springt dann an das Bett von Silas. „Wie geht‘s Dir?“ – „Wie einem halben Menschen“, kommt da ausgezehrt die Antwort. „Soll ich nachschauen, ob Du noch komplett bist?“, fragt Grimma mit einem Grinsen im Gesicht. „Das meine ich nicht“, kommt da wieder schwach die Antwort. „Kaia und ich waren eins für einen Moment. Ein Gedanke, eine Einheit, eine Seele, eine Liebe, ein Verstand, ein Herz, ein Traum, ach, ich möchte ewig so weitermachen. Und dann kam das glühende Messer und hat sie …“ Die Stimme verstummt und Silas dreht sich zur Seite, doch Grimma und Isengora können sein Weinen hören. Da kommt die Stimme von Kaia leise aus dem anderen Bett. „Die Verbindung zwischen uns, ist von Dwayna und Grenth gesegnet. Über den Tod hinaus werden wir zusammen sein und wenn der Richter in der Unterwelt über uns richtet, wird er wissen, dass es unmöglich ist, uns zu trennen.“ Grimma streicht mit der Pfote über den Kopf von Silas. „Sie lebt durch Dich. Du hast sie gerettet!“ – „Aber Deine Reise ist noch nicht beendet“, kommt da leise vom anderen Bett. „Sie hat recht!“, ruft Isengora. „Wir brauchen Dich für das letzte Ei von Balthasar.“ Da schaut Silas auf und ruft mit ausgezehrter Stimmkraft: „Raus! Ich will Euch nicht mehr sehen! Raus mit Euch!“ Überrascht von dem Ton und den Worten verlassen Isengora und Grimma mit hängenden Köpfen das Zimmer. Draußen werden sie derweil von Priester Hazadim und Priesterin Kutay erwartet.
„Was ist los mit ihm?“, fragt Grimma. „Keiner von uns ist imstande nachzuvollziehen, was er in diesem Moment durchmacht und fühlt. Aber es ist denkbar, dass es eine Sache gibt, die uns helfen kann. Hast Du das Ei der Kormir?“ Isengora nickt. „Ich würde gerne etwas versuchen. Bekomme ich von Dir die Erlaubnis, es mir für kurze Zeit auszuleihen?“ Zuerst zögert die junge Norn, doch dann greift sie in ihre Tasche und gibt Hazadim das Ei. Der Priester wendet sich der Tür zu, öffnet diese nur kurz einen Spalt breit und lässt das Ei in das Zimmer hineinkullern, dann schließt er die Tür wieder. „Geben wir dem Ei eine Stunde Zeit und in der Zwischenzeit essen wir.“ Verwundert schauen Isengora und Grimma Hazadim an, während der sich schon umgedreht hat und in Richtung Speiseraum geht. Priesterin Kutay lächelt und läuft mit Hazadim mit. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, meint Grimma, „aber wenn sie gehen, gehe ich mit.“ Schweren Herzens und mit einem letzten Blick Richtung Tür dreht sich Isengora auch herum und folgt den anderen. Die Lichtblitze hinter der Tür, die durch den Spalt scheinen, bekommt sie schon nicht mehr mit.
Eine Stunde später, Isengora hat gerade das erste Dolyak-Viertelchen verputzt, steht plötzlich Silas in voller Rüstung im Raum. Schlagartig wird es still und nur die fallengelassene Gabel von Grimma erzeugt ein Geräusch wie bei einer Explosion. Dann springen Isengora und Grimma nach vorn und legen ihre Arme um Silas. „He, Ihr erdrückt mich und, was noch schlimmer ist, das Ei der Kormir.“ Schlagartig springen beide zurück, um wild durcheinanderzureden. „Wie gehts Dir?“ – „Warum läufst Du hier herum?“ – „Ist unsere weitere Reise jetzt doch möglich?“ – „Was hat das Ei mit Dir gemacht?“ – „Ist Kaia gesund?“ Die Fragen nehmen scheinbar kein Ende, bis Priester Hazadim, einmal laut „Ruhe!“ ruft. Alle schauen ihn erschrocken an bis auf Silas, der immer noch da steht und auf etwas zu warten scheint. Da fragt Priesterin Kutay: „Hast Du Hunger?“ – „Na endlich stellt jemand die richtige Frage. Ich habe seit vier Wochen nichts Vernünftiges mehr gegessen.“ Mit diesen Worten übergibt Silas das Ei der Kormir an Isengora und setzt sich an den Tisch. „Vier Wochen?“, fragt Isengora irritiert. „Wir waren erst vor einer Stunde in Deinem Zimmer.“ Da wird Grimma hellhörig.„ Sind für Dich vier Wochen vergangen Silas?“, fragt Grimma. Und während der Blondschopf nickt, meint Grimma: „Ich verstehe.“ Der Gesichtsausdruck von Isengora zeigt ein großes tyrannisches Fragezeichen. „Ich habe das Gleiche erlebt, als das Ei der Lyssa mich geprüft hat. Für mich waren es Stunden, die ich weg war, für Euch nur Sekunden. Ich glaube, das Ei hat Silas auf eine Reise geschickt. War es so?“, fragt Isengora. Silas nickt, schickt aber gleich hinterher, dass er im Augenblick nicht gewillt ist, darüber zu reden. Wichtiger ist, sich auf die Reise zum Mahlstromgipfel vorzubereiten und das sechste Ei zu holen, um das Waisenhaus endgültig zu retten. So greifen alle noch einmal herzhaft zu, um für ihr nächstes Abenteuer bestens gerüstet zu sein.
Kurz nach dem Frühstück versucht Grimma einmal, weitere Informationen aus Silas herauszukitzeln. „Kommt Kaia mit uns?“ Doch Silas schüttelt nur den Kopf. Dann bleibt er stehen, so als ob er dann doch etwas sagen will. Isengora und Grimma warten gespannt, bis Silas endlich anfängt zu sprechen. „Kaias Reise ist noch nicht abgeschlossen. Sie bleibt im Ei der Kormir. Isengora und Grimma bekommen bei dieser Aussage große Augen und holen grade Luft für die nächste Frage, als Silas den Kopf schüttelt und weiterläuft. Beide merken, dass es keinen Sinn macht, jetzt tiefer nachzubohren. Stattdessen holen sie ihre Asura-Maps hervor. „Welche Wegmarke liegt dem Vulkan am nächsten, die wir schon haben?“, fragt Isengora. „Finstertal“, kommt da von Silas. „Unser Ziel ist, bis zur Mittagssonne am Vulkan zu sein.“ So drückt jeder von ihnen auf die Wegmarke und bestätigt die Reisekosten von 2,55 Silber.
Am Zielpunkt ihrer Reise ist es friedlich, so dass unsere Helden relativ schnell in Richtung Osten aufbrechen können. Über eine Holzbrücke hinweg mit der Beschilderung „Hier wohnt ein nichtsahnendes Kaninchen“ hin zu einer Baumgruppe, die viel Holz, aber auch viele Gegner in Form von Jaguaren verspricht. Grimma übernimmt den Angriff mit ihren Tiergefährten, so dass Isengora und Silas sich im Hintergrund halten können, um schon mal die Bäume zu fällen. Nachdem die Vorräte verstaut wurden, setzen sich die drei wieder in Bewegung und treffen unterwegs gelegentlich auf Platin-Adern und noch mehr Holz, was gerade Grimma als Waidfrau freut, da sie für ihre Ausbildung Unmengen davon verbauen muss. „Da, schaut“, ruft Isengora, „ein Erdelementar!“ – „Das bedeutet, wir sind in der Nähe vom Vulkan“, meint Silas, um im gleichen Moment durch ein Alarmsignal in Aufregung versetzt zu werden. Schnell laufen sie los, vorbei am Erdelementar. Vor einem Höhleneingang steht ein Labor-Mitglied einer Asura-Kru. „Was ist los?“, fragt Silas. „Das Labor über erweiterte Arkanomie wird angegriffen, bitte helft.“ Die drei stürmen in die Höhle und werden von Zerstörer-Harpyien und Zerstörer-Krebsen empfangen, welche sie mit aller Macht verbrennen wollen. Isengora haut einen Kampfschrei nach dem anderen raus, um der Gruppe zu helfen. Grimma hält die Harpyien mit ihren Tiergefährten in der Luft gefangen, so dass Silas sie mit einem Kältekegel und einem Frostausbruch wirksam bekämpfen kann. Als ein Veteran Krebs dazukommt, ziehen sich unsere drei einen Augenblick Richtung Höhleneingang zurück, um ihre Kräfte neu zu sammeln. Dann geht es Schlag auf Schlag, eine Wächterwall von Isengora verschafft ihnen genug Zeit, um den Veteran runterbursten zu können. Die zwei restlichen Zerstörer-Krebse sind dann keine große Gefahr mehr, so dass sich Isengora schnell um die Kru-Leiterin Ambr kümmern kann, die schwer verletzt bei ihren Anlagen liegt. „Mein Ätheromotive Energierelais“, ist das Erste, was Isengora, Silas und Grimma hören, als Ambr erwacht. Die kleine Asura springt auf und rennt los. „Das Wort ‚Danke‘ kennt man bei Euch nicht, oder?“, fragt Isengora. Ohne sich umzudrehen kommt von der Asura: „Ihr wart nützlich, und wenn Ihr diesen Status zu behalten gedenkt, lauft runter in den Vulkan und schaut, ob meine Kru-Lehrlinge oder Versager dort Hilfe brauchen.“
Grimma schüttelt nur den Kopf, während Isengora verdächtig ihren Stab schwingt. Plötzlich hat die Asura ein Geschwindigkeitsfeld unter ihren Füßen liegen und kommt deswegen ins Stolpern. So rutscht sie über den Rand der Steintreppe und fällt in die Lava. „Heiß, heiß, heiß!“, schreit Ambr und hüpft in Richtung der Treppe zurück. Silas, Isengora und Grimma drehen sich um und laufen auf den Ausgang der Höhle zu. Das Gezeter der Kru-Leiterin verstirbt nach einigen Abzweigungen. „In einem Punkt hat sie recht“, meint Silas. „Unser Weg führt tiefer in den Vulkan hinein. Nur dort werden wir das Ei von Balthasar finden.“ Wenig später entdecken die drei einen Abhang, den sie runterklettern können. Tiefer, immer tiefer führt der Weg sie in den Vulkan hinein und auch die Anzahl der Zerstörer vermehrt sich. Aus der Glut des Vulkans geboren und vom Alt-Drachen Primordus zum Leben erweckt, warten sie hier auf Besucher, um sie zu Asche zu verbrennen. Zerstörer für Zerstörer, Meter für Meter kämpfen sich unsere Helden vorwärts, wobei gerade Isengora unter der Hitze hier unten zu leiden hat. Der Schweiß läuft ihr literweise am Körper herunter und Silas fängt an zu grinsen. „Was gibt es da zu lachen?“, fragt Isengora, auffällig missgelaunt. „Eine leichte Rüstung ist schon klasse und so luftig.“ – „Vorsicht“, mahnt Isengora, „Du weißt, was vorhin passiert ist. Einmal beim Laufen nicht aufgepasst und schon liegt man in der Lava und ich weiß nicht, ob Deine Stoffrüstung feuerfest ist.“ Mit einem erschrockenen Blick wechselt Silas schnell auf Wassereinstimmung. Bei Isengora ist er sich gerade nicht sicher, was ihr durch den Kopf geht. „Wir haben es geschafft“, kommt da der Ruf von Grimma. „Der Vulkan! Ich erinnere mich“, ruft da Isengora. „Ich habe das alles schon mal gesehen, aber … es in Wirklichkeit zu sehen ist anders als im Traum. Es ist gewaltig!“ – „Wo führt unser Weg lang?“, fragt Grimma. „Nach Nordwesten. Es gibt eine Landzunge, die in die Lava hineinführt. Dort ist das Ei versteckt.“ Unter der Führung von Isengora und dem Beseitigen von einigen Zerstörer-Krebsen, bahnen sich unsere drei ihren Weg. „Dort“, ruft Isengora, „da ist etwas.“ Die anderen sind nicht in der Lage, etwas zu sehen, aber sie folgen Isengora weiter. Da taucht vor ihnen eine Kugel aus heißer Lava auf. Sie scheint knapp über der Landzunge zu schweben und sie pulsiert. „Was für ein Glück, dass Du eine Rüstung trägst, mit schweren Handschuhen“, witzelt Silas. „Viel Spaß beim Reingreifen.“ Isengora schüttelt den Kopf, „Die Kugel wird mir nichts antun.“ Zwei Schritte geht sie vor und greift dann unerschrocken in die Kugel rein. Es gibt einen Ruck und als sie ihre Hände aus der Kugel zieht, hält sie das Ei zwischen den Handschuhen fest. Im gleichen Augenblick donnert eine Stimme in den Köpfen der drei. Mein Ei mögt Ihr haben, aber seid Ihr auch dessen würdig? Trägerin des Eies, beweise Deine Hingabe an mich, in dem Du in die Lava springst und bis auf die gegenüberliegende Seite läufst und dort lebend ankommst. „Ich hasse Balthasar!“ Grimma und Silas, die auch die Botschaft mitbekommen haben, meinen nur: „Denk dran, dies ist ein weiterer Teil Deiner Legende“, das Lachen versuchen sie sich dabei zu verkneifen. Isengora wartet nicht länger. Das Ei in der linken Hand, den Stab in der rechten legt sie los. Êrst legt sie das Symbol der Eile unter ihre Füße, dann kommt ihr Kampfschrei „Rückzug!“, und schon springt sie in die Lava. „Heiß, heiß, heiß!“, schreit sie bei jedem Schritt, während Grimma und Silas sie beobachten und meinen: „Das klingt ähnlich wie vorhin bei der Kru-Leiterin. Naja, aber sie hat mehr Würde bewahrt, oder was meinst Du?“ – „Die Kru-Leiterin?“ Grimma kann nicht mehr und fängt laut an zu lachen, während Isengora mit dem Zustand „well done“ drüben auf kaltem Boden ankommt. Als Silas und Grimma bei ihr auf der anderen Seite ankommen, sitzt Isengora im Schneidersitz auf dem Boden, das Ei in der Hand und der Blick verrät, dass das Ei sie mitgenommen hat auf eine Reise. So setzen sie sich daneben und warten ab, was passiert.
25. Der Priester des Balthasar
„Es verzehrt mich“, kommt es ächzend und stöhnend an die Ohren von Isengora. Als die Norn erwacht, ist es dunkel. In der Ferne hört sie ab und zu ein Geräusch, das sie an das Herunterfallen von Wassertropfen erinnert. Langsam bewegt sie sich auf das Stöhnen und Ächzen zu. Sicherheitshalber hat sie ihr Schwert gezogen, denn es ist nicht zu erkennen, wer die Laute von sich gibt. Mit dem Fuß stößt sie gegen einen Stein, der auf einen Fels knallt und ein klackerndes Geräusch verursacht. Sofort hört das Stöhnen auf und die Frage erschallt: „Ist da jemand?“ – „Ich bin Isengora vom Soderhem-Gehöft. Wer bist du?“ – „Ich bin beziehungsweise war der erste Priester des Balthasar, der ruhmreich auf dem Schlachtfeld der Ehre gestorben ist. Doch dann kam der Mund des Zhaitan. Er nahm meinen Körper mit und brachte ihn in das Haus der Verwesung. Mein Restbewusstsein, das im Körper steckte und nicht gänzlich erloschen war, wurde mit Zhaitans Magie wiederbelebt und gehört seit dieser Zeit dem Alt-Drachen. So ist es die Pflicht von mir, den Tempel meines Gottes jedes Mal aufs Neue zu schänden, um ihn für Zhaitan in Besitz zu nehmen. Es gibt keine größere Schmach für mich.“ – „Du meinst den Tempel in der Meerenge der Verwüstung?“ – „Ja, der Platz, der gleichzeitig der Sammelpunkt ist für alle Opfergaben, die meinem ehemaligen Herren gebracht worden sind. Heute trauen sich die Priester zum Deponieren der gesammelten Schätze nur hier hin, wenn ich niedergekämpft wurde.“ – „Was passiert mit Dir, wenn Du besiegt wurdest?“ – „Ich werde hier in den Tempel versetzt, angekettet an eine Säule, die das Maul des Zhaitan hat extra bauen lassen. Durch die Kette wird mir neue Energie des Alt-Drachen zugeführt und sobald meine Kraft wiederhergestellt wurde, muss ich erneut versuchen, den Tempel für Zhaitan zurückzuholen. Es ist eine Strafe, wie ich sie mir grausamer nicht vorstellen kann. Ich habe nur wenig Zeit, bis es wieder soweit ist. Bitte erzähl mir Deine Geschichte.“ So fängt Isengora an, ihre Schilderung der Abläufe dem Priester anzuvertrauen, vom Waisenhaus, den Eiern der Götter und ihrer Mission. Am Ende der Geschichte herrscht kurz Schweigen, bis der Priester sagt: „Ich schlage ein Geschäft vor. Wenn Ihr den Tempel befreit habt, kommt zur Heldenherausforderung. Ich werde wissen, wenn Ihr da seid, und Euch dann in das Innere des Tempels lassen. Dort bitte ich Euch, die Säule, die mich mit Energie versorgt, zu zerstören.“ – „Bist Du dann frei?“ – „Nein, ich schinde nur Zeit für die Verteidiger auf dem Tempelberg. Der Mund wird es bemerken und erscheinen, um die Säule zu reparieren, aber so bleibt allen draußen mehr Zeit und ich kann wenigstens ein letztes Mal meinem Gott dienen. Dafür verschaffe ich Euch Eintritt in die Schatzkammer, wo Ihr euch einmal bedienen dürft.“ Ohne lange zu überlegen, stimmt Isengora zu. „Ahhhhh, die Energie versiegt, ich bin voll aufgeladen. Wieder muss ich den Tempel meines Gottes schänden. Vergiss unsere Abmachung nicht.“ Ein kurzer Lichtschein und schon kehrt Ruhe ein. „Wie komme ich jetzt hier raus?“, fragt Isengora. Ein Blinzeln später befindet sich die Norn zurück im Vulkan. „Sie ist zurück!“, ruft Silas. Dem Gesichtsausdruck von Isengora ist zu entnehmen, dass sie etwas verwirrt ist, aber dann fängt sie an zu erzählen.
„Das bedeutet“, fasst Grimma zusammen, „wir müssen zur Wegmarke Sammelpunkt und anschließend zum Tempel des Balthasar.“ So holen alle drei ihre Asura-Maps hervor und suchen sich die Wegmarke Sammelpunkt. Nach der Bestätigung der Reisekosten in Höhe von 1,90 Silber geht ihre Reise weiter.
In der Höhle des Sammelpunktes herrscht helle Aufregung. Taktikerin Totschreiter von den Wachsamen sammelt ihre Truppen, um den Angriff auf den Tempel des Balthasar zu starten. Die letzten Verstärkungen vom Norden sind eingetroffen. Noch ein Gebet an die Götter, die Geister der Wildnis oder an das eigene Selbstvertrauen, bevor die Kanonen feuern. An das Laute knallen können sich alle drei noch gut erinnern. Dazu der Geruch nach Schwefel, der in der Nase beißt. Doch das Schlimmste ist der Sand zwischen den Rüstungen. Er kriecht scheinbar in jede Ritze. Dabei scheuert und kratzt er auf der Haut, so dass irgendwann jede Bewegung Schmerzen verursacht. „Kämpfen wir mit?“, fragt Silas, „und wenn ja, an welcher Position?“ – „Wir müssen wieder mit vielen Untoten rechnen. Das bedeutet, wir lassen die anderen vorlaufen und aufräumen und wir beschützen rein defensiv“, meint Grimma. „Wenn Silas die Pakt-Truppen mit Heilung unterstützt und Isengora genauso, dann werde ich die abfangen, die hinter uns auftauchen.“ Da ertönen mehrere mächtige Kriegshörner. Die Pakt-Truppen stehen in Formation und marschieren los. Die Kanonen ballern vor der Höhle, was das Zeug hält, um den vorderen Bereich von Untoten zu reinigen, aber unsere drei haben den Eindruck, für einen getöteten Untoten, stünden zwei an anderer Stelle wieder auf. „Woher nimmt Zhaitan nur die ganzen Toten?“, fragt sich Isengora. „Das war einst ein blühendes Land mit sehr vielen Einwohnern, bevor es im Meer versunken ist“, kommt da von Grimma zwischen zwei Pfeilschüssen. „Als der Alt-Drache Orr aus dem Meer wieder nach oben steigen ließ, hatte er viele ehemalige Bewohner, die er aus seiner Sicht schnell wiederbeleben konnte. Und nach seinem Willen muss der Priester des Balthasar den Tempel verteidigen, genauso wie die ehemaligen Dorfbewohner, die jetzt als Untote dem Drachen dienen.“ – „Was will Zhaitan mit den Tempeln der Götter?“, fragt Silas, während sie sich weiter vorwärts kämpfen. „Sie sind einmal für ihn ein Triumph, frei nach dem Motto: ‚Menschen, schaut her, Eure Götter haben keine Chance gegen mich als Alt-Drachen.‘ Dazu kommt“, erklärt Grimma weiter, „dass es magische Machtzentren sind.“ – „Magische Machtzentren?“, fragt jetzt auch Isengora nach. „Priester Hazadim hat es mir mal etwas erklärt“, versucht Grimma ihr Wissen weiterzugeben. „Durch die Gebete und Rituale, die an den Tempeln der verschiedenen Götter abgehalten worden sind, haben sich diese mit der Kraft der Menschen aufgeladen. Zhaitan hat diese Macht mit seiner Todesmagie verdorben und genau ins Gegenteil verkehrt. Das, was Kraft spenden sollte für Bedürftige, saugt jetzt aus jedem die Energie, bis er stirbt, nur um dann als Untoter oder als Sklave von Zhaitan gegen seine eigenen Freunde in den Kampf zu ziehen.“
Die Gegner werden immer mehr, je näher die Truppen des Paktes an die Stufen kommen, welche den untersten Teil des Tempels ausmachen. Eine Schlacht entbrennt, an der Balthasar sicher seine Freude gehabt hätte. Immer wieder kommt die Heilung von Silas und Isengora in letzter Sekunde. So tun unsere drei alles, um die Soldaten am Leben zu halten und die Moral der Truppe zu stärken, zu schützen und somit hochzuhalten. Die Kampfschreie werden lauter. Das Klingeln der Schwerter, die gegeneinander schlagen, das schmatzende Geräusch der Untoten, die sich immer wieder aus der Erde graben, all das ist die Symphonie dieses Angriffs. Blut spritzt auf Silas‘ Rüstung, grade als er versucht, einen schwer verletzten Pakt-Soldaten mit Hilfe seiner Wassermagie am Leben zu erhalten. Leider hat er den Untoten nicht gesehen, der sich in der gleichen Sekunde aus der Erde gräbt und ein Stück aus dem Körper des Soldaten herausbeißt. Ein letztes Stöhnen und es ist vorbei. Vor lauter Wut und Verzweiflung wechselt Silas seine Einstimmung auf Feuer und belegt den Untoten mit allem, was er hat. Den Pakt-Soldaten konnte er nicht mehr retten, aber als der Untote ausruft „Das Licht erlischt“, weiß Silas, dass er wenigstens eine Seele Zhaitan endgültig entrissen hat. Die einzeln Stufen bringen den Pakt Schritt für Schritt weiter hoch in Richtung des Tempels, aber die Gegenwehr wird immer heftiger. Gegner, die vorne weggeräumt werden, tauchen an der Seite wieder auf. Grimma hat mit ihren Tiergefährten mehr als genug zu tun. Dabei faucht sie zwischendurch auf und schreit: „Nein, nicht mein Tiergefährte!“ Trotzdem kämpft sie mit aller Macht, bis ihr nächster Tiergefährte in den Kampf eingreifen kann. „Es muss enden“, ruft da Isengora. „Die Pakt-Moral sinkt immer weiter und wir haben erst die Hälfte der Stufen hinter uns.“ – „Es ist vorbei“, ruft da Silas. „Warum?“, fragt Grimma verzweifelt zwischen zwei Angriffen. Da zeigt Silas auf den Fuß des Berges, wo sich eine riesen Staubwolke erhebt. „Wenn das alles Untote sind, werden sie uns gleich überrennen.“ Doch da schreit Isengora auf: „Nein, es ist unsere Unterstützung, die da kommt. Andere Helden aus ganz Tyria, die den Pakt unterstützen wollen!“ Eine gewaltige Welle der Begeisterung, voller Mut und Energie, durchströmt die Pakt-Soldaten, als sie die Unterstützung erkennen. Es bilden sich sofort Gruppen, die sich um die Pakt-Truppen verteilen, die sie schützen, verstärken, heilen, ihnen Geschwindigkeit geben. Die Kriegshörner erklingen wieder voller Macht und treiben alle vorwärts. „Ich sehe die Plattform!“, ruft Isengora. Die Statue des Balthasar, verdorben durch Zhaitan, greift mit ihrer Macht die Befreier des Tempels an, doch diese wissen sich zu schützen. „Da“ ruft Taktikerin Totschreiter, „der Vorplatz des Tempels gehört uns. Ihr müsst ihn jetzt mit allen Mitteln verteidigen, bis das Heer der Untoten versiegt.“ Wie eine Welle strömen die Untoten heran. Silas haut Meteorschauer raus, während Grimma sich einzelne Veteranen heraussucht und diese konzentriert mit ein oder zwei weiteren Helden angreift. Isengora passt währenddessen auf und unterstützt durch Segen oder Heilung. Da erschallt wieder der Ruf von Taktikerin Totschreiter: „Da kommen die Letzten aus ihren Gräbern. Macht sie nieder!“ Der Stab von Silas scheint zu glühen, genauso wie die Pfoten von Grimma, die einen Pfeilhagel nach dem nächsten loslässt. „Es ist vorbei! Der Tempel gehört uns“, kommt da der Schrei der Taktikerin, der von vielen Kehlen begleitet wird. Doch Isengora, Silas und Grimma schauen sich nur an. Sie wissen, das ist noch nicht das Ende. Und so verstummt der Schrei schon bald, als die Erde anfängt zu rumpeln und der Priester des Balthasar erscheint. „Das ist der auferstandene Priester“, schreit Isengora in Richtung der Pakt-Soldaten. „Er wurde von Zhaitan wiederbelebt und muss erneut den Tempel seines Gottes schänden. Helfen wir dem Priester, in dem wir ihn töten und zu Zhaitan zurückschicken.“ Die Waffen aller erheben sich und ein grandioser Kampf beginnt. Zhaitan hat den Priester mit großer Macht ausgestattet und mehr als einmal hört man die letzten Schreie und das Aufstöhnen von gefallenen Helden. Wieder müssen unsere drei genauso wie die anderen, die mit ihnen kämpfen, alles geben, um den Tempel endgültig zu befreien, und als der Priester dann fällt, bleibt es auffällig leise. Viele Beine werden jetzt, wo die Anspannung loslässt, weich und fordern eine Rast. Doch unsere drei wissen, ihre Mission ist noch nicht erfüllt. Unbeachtet von den anderen laufen sie zur Heldenherausforderungen. „Es ist Dein Vermächtnis, Isengora“, kommt da von Silas. „Aktiviere die Herausforderung und lass uns sehen, was passiert.“
Isengora streckt die Hände aus und dann hört sie die Stimme des Priesters in ihrem Kopf.
Ich habe Euer kommen gespürt und Euch kämpfen sehen. Bitte kommt zu mir und zerstört die Säule. Die Luft flimmert vor den dreien und im nächsten Moment stehen sie in einer dunklen, feuchten Höhle. Der Priester liegt wenige Meter neben ihnen gefangen mit einer Kette am rechten Bein. Von einer Säule gehen ständig leuchtende Impulse, die über die Kette ins Bein fahren. „Bitte“, fleht der Priester, „zerstört die Säule, damit es wenigstens eine Zeitlang endet. Mehr verlange ich nicht von Euch.“ Isengora greift zum Großschwert, während Silas den Stab hebt. Der Tiergefährte von Grimma stürmt auf die Säule los und bei der ersten Attacke, die trifft, schreit der Priester auf. „Macht weiter. Die Säule überträgt die Schmerzen der Zerstörung auf mich, um so zu verhindern, dass ich sie selber zerstöre. Bitte, es muss sein. Nicht aufhören.“ In den Augen von Grimma, Silas und Isengora ist das Entsetzen zu sehen. „Wie können wir …“ – „In den Schriften von Balthasar steht: ‚Erhebt Eure Waffen, denn Ihr seid meine Soldaten und Ihr müsst standhaft, stark und tapfer sein. Wer weder zögert noch zurückweicht, wird belohnt werden. Dann werdet Ihr Ruhm erlangen. Dann wird man sich ewig an Eure Taten erinnern‘“, vollendet der Priester den Satz. Da hebt Isengora ihr Großschwert und startet eine Wirbelattacke. Silas beginnt mit einer Lavafontäne und Grimma vereinigt sich mit ihrem Tiergefährten für einen Angriff. Das Schreien und Stöhnen des Priesters nimmt immer mehr zu und das Schlimmste ist für die drei das Echo. So wird die Pein, die der Priester erleidet, immer lauter, immer dichter, immer heftiger, nur um Sekunden später zu verenden, als die Säule zerbricht, so als ob sie aus Glas bestehen würde. „Ich danke Euch“, hallt seine Stimme ein letztes Mal von den Wänden zurück. „Ich werde jetzt sterben in dem Bewusstsein, dass der Mund mich wiederbeleben wird, nur um mich erneut an eine Säule zu ketten. Aber es wird Zeit vergehen, Zeit wo der Tempel meines Gottes frei ist. Ich kann mir als sein Priester nichts Schöneres wünschen.“ Dann sinkt der Körper endgültig zusammen. Silas, Isengora und Grimma, bleiben einen kurzen Augenblick stehen. „Das brauche ich kein zweites Mal“, kommt da von Grimma. „In meinen Ohren höre ich immer noch sein Kreischen und Wimmern bei jeder unserer Attacken.“ Silas nickt nur, während Isengora sich ein Stück vorbeugt. „Was ist das?“, fragt Grimma. Vorsichtig zieht Isengora eine Schriftrolle unter dem Gürtel des Priesters hervor. Silas sorgt für ein wenig Licht und Isengora rollt vorsichtig die Schriftrolle aus. „Die Zeichen beziehungsweise die Schrift kenne ich nicht“, meint Silas. „Kannst Du sie lesen, Grimma?“ Die Charr schüttelt den Kopf. „Ich kann sie lesen“, kommt da von Isengora. „Fragt mich nicht, warum, es ergibt Sinn für mich, was ich hier sehe.“ – „Dann ließ endlich vor“, drängelt Silas. „Ihr Krieger Tyrias, wenn Ihr diese Schriftrolle in der Hand haltet, zeigt es mir, dass mein Plan funktioniert hat. Wie versprochen, sollt Ihr Zugriff auf den Schatz des Balthasar bekommen. Einmal ist es Euch gestattet, euch so viel mitzunehmen, wie in Eure Taschen reinpasst. Wenn Ihr fertig seid, ruft den Satz: ‚Balthasar, die Schlacht ruft, deshalb entlasse mich aus Deinem Tempel.‘“ Nach diesem Satz rollt Isengora das Schriftstück wieder zusammen. „Und wo ist jetzt der Schatz beziehungsweise. der Raum?“, fragt Grimma. Isengora lächelt und meint: „Folgt mir und ich hoffe, Eure Taschen sind leer.“ So führt die Norn unsere Helden durch die Höhle, die einen versteckt liegenden Durchgang hat und so in ein zweites Gewölbe führt. „By Ogden‘s hammer, what savings!“, kommt da der erstaunte Ausruf von Isengora. Pures Gold, Schmuck, Edelsteine, Waffen und Rüstungen aller Art liegen hier. Wie ein großer Berg, der aufgeschüttet wurde, haben die Priester des Balthasar alles gesammelt, was nach vergangenen Schlachten übrig geblieben ist. „Wir nehmen das Maximale an Gold mit, das jeder tragen kann. Dazu noch Kleinigkeiten, die teuer sind, wie Schmuck und Edelsteine.“ – „Sechs Plätze brauche ich für etwas anderes“, meint Silas. „Und für was?“, fragt Isengora. „Ich muss meine Rüstung abgeben, wenn wir zurück sind. Also brauche ich eine Neue und hier liegen genug herum, ich muss mir nur etwas mit passenden Werten für mich suchen.“ Isengora und Grimma nicken, um dann anzufangen, alles aus ihrer Sicht Kostbare einzupacken. Am Ende sind die Taschen voll, aber der Wunsch, noch viel mehr mitzunehmen groß. „Wir haben mehr bekommen, als wir hoffen durften“, meint Isengora. „Damit können wir das Waisenhaus retten und den Rest, den wir jemals brauchen, holen wir uns in ehrlichen Kämpfen von unseren Gegnern.“ Da nicken sowohl Silas als auch Grimma. „Seid Ihr bereit?“, fragt Isengora und als die beiden nicken, holt Isengora ein weiteres Mal die Schriftrolle hervor und ruft: „Balthasar, die Schlacht ruft, deshalb entlasse mich aus Deinem Tempel.“ Die Luft vibriert und schon stehen sie voll beladen vor der Heldenherausforderung. Stimmen werden laut und einige Pakt-Mitglieder zeigen auf unsere drei. „Ich glaube“, meint Silas, „es wäre günstig zu verschwinden, oder kann einer von Euch erklären, wo wir herkommen und vor allem, wo der Inhalt unserer Taschen seinen Ursprung hat?“ Schnell holen die drei ihre Asura-Maps hervor, klicken auf die Wegmarke Salma und bestätigen die Kosten. Das Letzte, was sie sehen, sind Pakt-Soldaten, die auf sie zugerannt kommen oder auf sie zuhechten, als der Transport eingeleitet wird.
26. Tanzschuhe in Größe 61
Es ist schon spätabends, als sie das Waisenhaus erreichen. Priester Hazadim sitzt draußen und betet, als er eine Stimme sagen hört: „Liebe droht, zu Verzweiflung zu werden, und der Glaube zu einem verlorenen Gut. Gesetze verlieren ihre Gültigkeit, doch wenn wir an Dwayna glauben und in ihrem Sinne handeln, werden wir gesegnet sein bis zum Ende dieser Tage.“ Priester Hazadim steht auf und dreht sich langsam um. Tränen laufen sein Gesicht herunter. „Gesegnet sei Dwayna, Ihr seid gesund zurückgekehrt. Kutay! Kinder! Sie sind zurück!“ Innerhalb weniger Sekunden füllt sich der Hof. Alle Kinder, egal ob sie schon geschlafen haben oder nicht, sind da und begrüßen unsere Helden. Silas, Isengora und Grimma öffnen ihre Taschen und sehen das Glänzen in den Augen der Waisen. „Wir brauchen nie wieder Angst vor Hunger zu haben“, rufen die drei. „Allzeit wird jedes Kind, das Hilfe braucht, diese hier finden.“ Der Jubel ist grenzenlos und ohrenbetäubend, als sich eine Hand auf die Schulter von Silas legt. Als der Blondschopf sich umdreht, sieht er Hauptmann Thackeray vor sich stehen. „Die Königin hat den Wunsch, sich persönlich bei Euch für Euren Einsatz zum Schutz von Götterfels zu bedanken. Aus diesem Grunde findet heute Abend im Schloss ein Ball statt. Die Priester der Dwayna, die Kinder und Ihr seid alle herzlich eingeladen.“ Silas bleibt erst der Mund offen stehen vor Überraschung, aber dann schaut er traurig. „Was ist los?“, fragt Hauptmann Thackeray. „Bitte entschuldigt, Hauptmann, aber ich kann nicht. Ich bin allein, da Kaia immer noch im Ei auf ihrer Reise ist.“ Da kommt Priesterin Kutay an Silas‘ Seite. „Was hast Du zu Beginn gesagt? ‚Liebe droht, zu Verzweiflung zu werden, der Glaube zu einem verloren Gut.‘ Jetzt, Silas! Jetzt musst Du an Dwayna glauben. Geh duschen, zieh dich um und habe Vertrauen. Hauptmann Thackeray hat extra Abendgarderobe für Euch mitgebracht.“ Einen Augenblick schaut Silas Priesterin Kutay an. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Reise von Kaia beendet ist. Doch dann fügt er sich und geht ins Haus. Nach dem Duschen steht er lange vor dem Spiegel und betrachtet sein Gesicht und seinen Körper. Vor vier Wochen makellos, sieht er jetzt mehrere Narben, blaue Flecken und tatsächlich auch den ersten Bartwuchs. Da klopft es an der Tür. Vorsichtig öffnet Silas die Tür und er sieht einen Mann und eine Frau vor sich. „Mein Name ist Balashi und das ist meine Kollegin Ishme-Ea. Königin Jennah schickt uns.“ – „Bitte wartet einen Augenblick“, kommt da von Silas, als er schon die Tür wieder geschlossen hat. Schnell schlüpft er in eine Unterhose, um anschließend die Tür zu öffnen und beide hereinzubitten. Balashi runzelt die Stirn und meint: „Das ist unmöglich. Er sieht aus, als ob er mit einem Dolyak gekämpft hätte.“ Ishme-Ea lächelt still vor sich hin, dann sagt sie: „Das Gesicht und die Haare gehören mir. Den Rest verkleidest Du doch sowieso, also was willst Du?“ – „Wie? Was, Verkleiden?“, kommt da von Silas. „Wir kommen vom königlichen Hof und haben den Auftrag, Dich dem Anlass entsprechend einzukleiden. Duuuuu“, zieht Balashi die Anrede sehr lang, „musst verstehen, es sind viele Adelige dabei. Diesen Leuten können wir Dein augenblickliches Aussehen nicht zumuten.“ Da wird Silas ernsthaft böse. „Was soll das heißen?“, schreit er Balashi an. „Haben wir für den Adel gekämpft, damit er weiter in erhabenen Sachen herumlaufen kann, anstatt das Waisenhaus zu unterstützen?“ Mit jedem Wort macht er einen Schritt mehr auf Balashi zu, der bleich wird und versucht zurückzuweichen. „Bitte entschuldige seine ungeschickte Wortwahl, Silas. Er ist im Umgang mit Kleidung deutlich besser als im Umgang mit Menschen.“ Einige Sekunden sieht Silas Balashi noch böse an, bis er zu Ishme-Ea rüber schaut und nickt. „Was ist meine Aufgabe hierbei?“ – „Bitte leg dich als erstes aufs Bett. Ich werde Dich rasieren und dann Deine Haut mit Cremes und heißen Tüchern behandeln. Das Ganze dauert nicht lange. Ich denke, eine halbe Stunde. Dann wird Mr. Ungeschickt Dir beim Anziehen Deiner Garderobe helfen. Einverstanden?“ Silas nickt ihr zu und so bereitet Ishme-Ea die Behandlung vor. Die erste Rasur und dann werde ich sogar rasiert. Silas fühlt sich sehr männlich in diesem Moment, was aber gleich wieder vergeht, als Ishme-Ea meint: „Du musst mehr für Deine Fingernägel tun.“ Silas verdreht die Augen was Ishme-Ea mit einem deutlichen Grinsen quittiert. Dann startet Balashi damit, Silas anzuziehen. Egal ob Unterwäsche, Socken oder Hemd, alles fühlt sich viel weicher an als bei der Rüstung. Kein Reiben, kein Zwicken, aber auch kein Gefühl des Stärkerwerdens und des Mehrs an Macht. Als Balashi fertig ist, frisiert Ishme-Ea ein letztes Mal die Haare von Silas. Als er dann vor dem Spiegel steht, sieht er nicht mehr den Jungen vor sich von vorhin, müde und abgekämpft, sondern einen jungen Mann mit hartem Blick, starkem Gesichtsausdruck und einer Eleganz, wie er sie zuvor noch nie gesehen hat. Dann blickt er Ischme-Ea und Balashi an und sagt einfach nur: „Danke.“
Da klopft es an der Tür. Balashi macht auf und Hazadim kommt ins Zimmer. Als er Silas sieht, bemerkt dieser den überraschten Gesichtsausdruck, aber auch den Stolz. „Du siehst umwerfend aus.“ Silas wird ein wenig rot und nickt einfach nur. „Wir müssen nach unten, Grimma und Isengora warten schon auf uns.“
Als die beiden im Gemeinschaftsraum ankommen, bleibt Silas die Luft weg. Isengora trägt ein langes, fließendes blaues Kleid aus Gazeballen gefertigt. Dazu die Haare offen und Gold gefärbt. Eine Kordel aus Seide betont ihre Hüfte und an dieser Kordel hängt eine Fackel. Was Silas aber am meisten irritiert sind die hochhackigen Schuhe. „Du siehst umwerfend aus“, kommt da von Silas, „aber eine Frage: Welche Schuhgröße trägst Du?“ Da wird Isengora kurz rot im Gesicht und meint: „Ich weiß, ich habe kleine Füße für eine Norn, aber ich hoffe, sie wachsen noch. Das sind jetzt High Heels in Größe 61.“
Ein Raunen geht durch den Raum, aber nicht wegen den High Heels von Isengora, sondern weil Grimma den Raum betritt. Ein schwarzer Piratenhut mit langer Feder, eine offene, weiße Weste mit Waffengürtel über die Schulter geführt, dazu eine rote Rose sowie eine Pluderhose, wieder in Schwarz, mit dazu passenden Stiefeln. „Ich habe gehört, es sollen heute Abend auch jüngere Charr anwesend sein. Ich hoffe, sie wollen tanzen.“ Das Lachen der drei dauert noch an, als sie sich auf den Weg zum Palast der Königin machen. Der Thronsaal ist festlich geschmückt und der Adel gafft beständig auf Isengora, Grimma und Silas. Da betritt Königin Jennah den Thronsaal und alle Augen richten sich auf sie. „Wir sind hier“, ruft sie den Anwesenden zu, „um drei Helden zu feiern, die ihre Heimat verteidigt haben. Sie haben ihr Leben riskiert und sich dutzendfach in Gefahr gebracht, um Götterfels zu retten. Was kann Götterfels, was können wir alle, diesen drei zurückgeben als Dank?“ Applaus brandet auf. Die Königin schüttelt den Kopf. „Ich habe keine Antwort, deshalb frage ich unsere Helden. Gibt es etwas, mit dem wir Eure Taten vergelten können?“ Isengora, Grimma und Silas stellen sich nebeneinander hin und sagen: „Eure Majestät, schützen Sie die Schwachen, die es selbst nicht vermögen. Achten Sie nicht auf die Herkunft, denn wir sind alle Kinder Tyrias. Der Krieg zwischen Charr und Menschen ist beendet und wir dürfen den Separatisten nicht die Erlaubnis geben, das Vertrauen zwischen unseren Völkern zu erschüttern. Sorgen Sie für die Gassenschleicher von Götterfels. Sie sind die Ärmsten hier, aber sie haben ihre Ehre. Wir wünschen uns, dass die Seraphen über sie wachen.“ Da dreht Königin Jennah sich zu ihren Ministern und den anderen Adligen um. „Das ist die Liebe, die Dwayna verteilt. Nehmt euch ein Beispiel an diesen Helden. Sie kämpfen für das Beste, was Götterfels ausmacht.“ Da erscheint ein Leuchten in der Mitte des Thronsaals. Das Ei der Kormir kommt von der inneren Kuppel des Thronsaals heruntergeschwebt. Es pendelt etwas hin und her, so als ob es sich erst nicht entscheiden kann, was oder wen es sucht. Dann bewegt es sich auf Silas zu, um direkt vor ihm in der Luft stehen zu bleiben. Der Blondschopf hört eine Stimme. Es ist das Gedankenecho der Göttin Kormir. Die Eier haben ihre Bestimmung erfüllt. Ein letztes Geschenk sollst Du noch erhalten, bevor alle Eier endgültig diese Welt verlassen werden. Das Ei beginnt zu wachsen und je weiter es wächst, desto mehr Risse bekommt es. Da erscheint ein Schatten, der langsam aus dem Ei hervorkommt. „Kaia!“ Silas schreit diesen Namen nur heraus und als seine Liebe in einem märchenhaften roten Kleid vor ihm steht, nimmt er sie in die Arme und weint bitterlich. „Ich bin ab jetzt für immer bei Dir und auch der Richter des Grenth kann uns nicht trennen.“ Silas schaut Kaia an und küsst sie, während das letzte Ei, das der Kormir, immer kleiner wird und dann verschwindet.