Noch 68 Tage bis zur Ankunft in Kryta im Jahr 506 nach der
Verbannung in die Nebel
Liebes Tagebuch,
gerade reite ich auf dem Rücken eines halbwüchsigen
Charr durch die Ebenen von Aschfurt und komme endlich dazu, diese
Zeilen niederzuschreiben. Bevor du nun berechtigter Weise an meinem Verstand
zweifelst, lass mich erklären, wie es dazu kommen konnte.
In Kürze betritt unser allseits geliebter Herrscher erneut
die Welt der Lebenden Tyrias! Feiert IHN und freut euch über SEINE
Ankunft, denn nun haben alle Völker das Vergnügen von Candy-Corn und der
hochgeschätzten Gegenwart des einzig wahren Königs OSWALD THORN! Damit es
allerdings dazu kommt, muss jemand die Candy-Corn-Knoten überall in Tyria
aufstellen – und das ungesehen von dessen Bewohnern. Jemand freiwillig? Na gut, ich, denn
niemand geringeres als ich (und noch ein, zwei … hundert andere), ist dem König
in seinem Arbeitseifer und seiner Perfektion aufgefallen, sodass ER SELBST mir
diese unglaublich wichtige Arbeit aufgetragen hat, in den Ebenen von Aschfurt
Zuckerwerk zu verteilen, das mit seiner Härte selbst Orichalcum-Spitzhacken in
die Knie zwingt. Die Nebel sollen mich holen für meinen Arbeitseifer und meine
Dummheit! Ich habe genug zu tun mit meinem eigenen Kram und nun spaziere ich
durch Tyria, mit einem Korb magisch verkleinerter Candy-Corn-Knoten und suche
anhand einer Jahrhunderte alten Karte die richtigen Stellen, wo die Dinger
aufgestellt werden müssen.
Leider wäre es wohl zu viel verlangt, dass ich die Sache ohne
Zwischenfälle hinter mich bringe. Ich hatte soeben einen der Knoten unter
einer Felsnase aufgestellt und besprühte die Zuckermasse mit „Kondensierten Mesmerschleier T68“. Wenngleich nicht perfekt, ist das der beste transportable Schleier als Schutz der Knoten, den wir haben. – Leider versagt das Ding immer wieder, was dem ein oder anderen Bewohner Tyrias mit Sicherheit zwischenzeitlich Visionen voller Candy-Corn bescheren dürfte. Die achtundsechzig Tage, die der Schutz maximal hält, bedeuteten für die Aufsteller außerdem, dass wir entweder die Knoten zwischendurch erneut bepinseln oder eben immer wieder auf- und abbauen müssen. Gerade überprüfte ich also, ob der Zucker des Candy-Corns hier wohl das
Herbstwetter unbeschadet übersteht, als ein Schatten die Sonne
verdunkelte. „Wer bist du denn?“
Ich wandte mich um und starrte auf das straßenköterblonde
Fell einer mächtig behaarten Brust. Von oben funkelten mich die naiven Augen
eines halbwüchsigen Charrs an. Das Junge sah aus, als ob es im letzten Jahr um
seine halbe Körpergröße in die Höhe geschossen wäre, ohne auch nur ein Gramm
Muskelmasse auf die Knochen zu kriegen. So, wie er sich vor mir aufbaute, sah
er im Gesamteindruck aus wie ein Kuhschädel auf einem Besen, den man in ein
altes Dolyakfell gewickelt hatte. Ich stellte mich vor den Candy-Corn-Knoten und grinste den
Charr an, der ebenfalls die Süßigkeit hinter mir entdeckt hatte und diese mit
erheblich mehr Interesse begutachtete als mich.
„Die Candy-Corn-Fee“, improvisierte ich und fabulierte in
großen Reden irgendetwas von der streng geheimen und überaus wichtigen Arbeit
der Candy-Corn-Fee, die ihre Flügel verloren habe, als der Blitz sie während einer Mission vom Himmel geputzt habe, und nun ganz alleine zu Fuß überall
Candy-Corn-Knoten aufstellen müsse und so weiter und so weiter. Ich erzählte
davon, wie schlimm es sei, dass jedes Jahr mehr und mehr Knoten verloren
gingen, da sie bei irgendwelchen Taugenichtsen zu Hause in den Gärten landeten.
(Wobei, das tatsächlich ein Problem war. Nicht einmal SEIN Gefolge konnte in
alle Häuser einbrechen und die Knoten einsacken, die wir diesen Taugenichtsen
schließlich selbst verkauft haben. Dämlich, die Dinger dann wieder zurückholen
zu müssen, weil SEINE VERRÜCKTHEIT es zu SEINEM Amüsement so wollte.)
Anscheinend hatte ich das Junge um den letzten Rest seines
unterbelichteten Verstandes gequatscht, denn – oh, Wunder der Nebel! – er kaufte
mir diesen Blödsinn ab. Nicht nur das, er bot sich sogar an, mir bei meiner
Aufgabe zu helfen! Gegen Entlohnung, verstand sich, in Form von Candy-Corn. Tja,
was sollte ich machen? Auf meinen eigenen, von Blasen geplagten Fußen weiter durch die Ebenen rennen und damit das Junge vor schlimmem Karies bewahren?