Noch 32 Tage bis zur Ankunft in Kryta im Jahr 506 nach der
Verbannung in die Nebel
Liebes Tagebuch,
ich bin am Ende mit meinem Dasein. Tot. Ein Fall für die
ewige Verdammnis als Futter für den Labyrinthschreck! Die Küchenhilfen haben
ihre Rache schneller bekommen, als ich es für möglich gehalten hätte, und nun
habe ich einen Prozess vor dem versammelten Hof der Verrückten am Hals. Morgen
kann so ziemlich alles passieren! Und mein Schicksal wird umso wahrscheinlicher
werden, wenn es dem KÖNIG und dem Hof ein makaberes Vergnügen bereitet.
An dieser Stelle muss ich wohl etwas ausholen, mein liebes
Tagebuch. Erinnerst du dich daran, dass der Herold Bruce mir eine Gefälligkeit
abgerungen hat dafür, dass er verschweigt, dass ich beim Aufstellen der
Candy-Corn-Knoten die Hilfe eines Sterblichen angenommen habe? Ja genau, dieses
dürre, zuckersüchtige Charrjunge! Heute Morgen hat Bruce diese Gefälligkeit
eingefordert und mich dafür rekrutiert, an der Tafel unseres HERRSCHERS direkt
zu dienen und die Speisen zum Abendmahl aufzutragen. Was soll schon dabei sein?
Was soll schon schief gehen? Ich hatte ja keine Ahnung! Die Antwort lautet:
ALLES! Alles, was irgendwie schiefgehen kann, ist auch schief gegangen. Aber
von vorne.
Pünktlich zur Abendstunde stand ich im Dienstbotenverschlag hinter
dem Speisezimmer SEINER VERRÜCKTHEIT. Neben mir der Servierwagen mit den
silbernen und goldenen Schüsselchen für die Höflinge und der Schale aus dem
Schädel SEINER Exfrau für unseren HERRN. Dann endlich klingelte das Glöckchen –
die Hofgesellschaft wünschte zu speisen. Ich betrat den Raum, als der VERRÜCKTE
KÖNIG seine Gunst der Edelfrau Acreni schenkte und gerade Spottlieder auf sie
dichtete. Ja, sie waren furchtbar – schlimmer noch als diese platten Witze, die
er jedes Jahr den Tyrianern zumutet – und natürlich waren sie eine große
Auszeichnung für Acreni. Der Monolog endete damit, dass KÖNIG THORN aus einer
Laune heraus der Edelfrau die Ehre gewährte, aus seiner innig geliebten
Schädelschale zu essen. Also servierte ich Acreni die Schädelschale. Im
Angesicht dieser Ehre sah die Frau extrem blass aus. Gut, sie ist immer extrem
blass, aber … Ich dachte mir nichts dabei! Ach hätte ich doch! Wahrscheinlich
hat sie von dieser Verschwörung etwas gewusst. Ich stellte das Ding vor ihr hin
und der KÖNIG befahl ihr: „Iss!“
Das tat Acreni dann auch, nur als ihre Gabel in die Schale
stieß, explodierte das Ding und schleuderte ihr chiliverseuchte Kürbissuppe ins
Gesicht und Knochenschrapnelle gen Tischgesellschaft. Der guten Amabel
kostete das beinahe ein Auge und ihr hübsches Gesicht wird wohl Spätfolgen davontragen. Unser KÖNIG war sehr amüsiert – bis zu dem Augenblick, wo ihm
einfiel, dass das seine Essschale gewesen war, die da gerade detoniert war, und
der Angriff dann vermutlich auch ihm galt. Am liebsten wäre ich einfach durch
den Boden gesunken!
Und nun? Habe ich also einen Gerichtsprozess am Hals, wo ich
mich vor dem gesamten Hof erklären muss! Was soll ich denen denn sagen? Dass
der Herold mich erst am Morgen rekrutiert hat? Dass ich keine Ahnung hatte, was
im königlichen Essen verborgen war? Die glauben mir doch kein Wort! Das sind
Verrückte und Wahnsinnige – alle miteinander! Die ewige Alchemie stehe mir bei,
damit ich eine Chance habe, das zu überleben!