Sterne blitzten am Himmel auf, nur zu erkennen, da sich der
Vollmond noch hinter den hohen Gipfeln benachbarter Berge versteckte. Wie
silberne Sprengsel fremder Magie verteilten sie sich über die samtene Schwärze
der Nacht und brachten Elnas Fantasie zum Träumen, bis der ferne Schrei einer
Eule die Sternenschlösser zerstieben ließ und an die wirkliche Festungsruine im
Hier und Jetzt erinnerte – verborgen in suppendicker Finsternis.
Elna kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit der
Nacht besser sehen zu können, und starrte verbissen zu dem alten Gemäuer
hinüber. In dieser Nacht sollte etwas geschehen. Dieser verrückte Asura und
Nebelforscher hatte etwas davon erzählt, wie dünn und zerbrechlich die Membran
zwischen den Welten inzwischen war, zwischen den Nebeln und ihrer Welt – und
vielleicht auch zwischen ungezählten anderen Welten, deren Bewohner sich heute
Nacht ebenfalls nach Tyria verirren mochten.
„Meinst Du, Lexxiz hat recht?“, fragte Elna in die Stille
hinein und erhielt Antwort von dem tiefen Atemzug ihrer raubtierhaften
Gefährtin.
„Auf jeden Fall damit, dass die Grenze jedes Jahr ein
bisschen mehr verschwimmt“, grollte Syrin und das matte Sternenlicht reichte
aus, damit ihre topasgrünen Augen schwach aufblitzen, wie die einer
gewöhnlichen Hauskatze es tun würden.
„Und wir werden herausfinden, warum“, hoffte Elna und spürte
einen wohligen Schauer über ihren Rücken laufen. Was auch immer sie heute Nacht
erwarten mochte, Syrins Klauen und Fänge waren jedenfalls ein sehr guter Grund,
sich selbst zur Geisterstunde sicher zu fühlen.
„Vielleicht. Aber auf jeden Fall werde ich herausfinden, ob
sich hinter dem Weltenschleier etwas verbirgt, das mir meine Ehre zurückgeben
kann.“
Das hier war wichtig für die Charr. Gänzlich hatte Elna es
nicht verstanden, nur so viel, dass Syrin als einzige Überlebende ihres Trupps
für den Rest ihres Lebens eine Geächtete wäre, falls sie es nicht schaffte, in
einen anderen Trupp aufgenommen zu werden. Sie brauchte eine Heldentat,
irgendetwas, das bewies, dass sie kein Feigling war und dass man sich auf sie
verlassen konnte.
Etwas raschelte, ein leises Säuseln kam aus Richtung der
Ruine und ließ Elnas Herz schneller schlagen. „Erkennst Du was?“, fragte sie
und wünschte sich einmal mehr, im Dunkel ebenso gut sehen zu können wie Syrin.
„Da passiert noch nichts“, grollte die Charr und ihre
riesige Pranke legte sich sachte auf Elnas Schulter. „Der Wind heult zwischen
den Mauern und verspottet mich.“ Ein nervös zuckender Puschelschwanz traf Elna
im Rücken und ließ sie einen Schritt vortaumeln.
„‘tschuldigung.“
„Schon gut.“ Seit Elna Syrin vor ein paar Monden
kennengelernt hatte, war die Charr so: ein nervöses Raubtier, immer
angespannt, immer kampfbereit, immer mit einem getriebenen Ausdruck in den
Augen. Dieser Blick erzählte davon, wie Syrin sich neue Verbündete unter den Menschen
suchen musste, da ihre eigenen Leute sie verachteten und vertrieben hatten. Unter
den Menschen sah es für Syrin indes nicht besser aus – die Felder der
Verwüstung trugen ihren Namen nicht ohne Grund und die Menschen dort hassten
die Charr. Alle bis auf Elna. Doch im Dorf sagte ihr ohnehin jeder nach, dass sie
sonderlich sei – und das war noch eine der nettesten Umschreibungen.
„Da!“, schnappte Syrins tiefe Stimme und in diesem Moment
klang sie so, als ob die große Tempeltür ins Schloss fallen würde. Elna schaute
zur Ruine und staunte. Mit offenem Mund blickte sie den sternensilbernen Nebel an, der – aus
dem Nirgendwo kommend – in die alte Festungsruine hineinfloss, als füllte er eine
unsichtbare Form aus, und so ein kleines Schloss in die Nacht hinein baute. Es war ganz anders als alles, was diese alten Mauern jemals in alter Zeit an
Gebäuden getragen hatten.
Augenscheinlich hatte Lexxiz recht gehabt mit all
seinen Formeln und Gerätschaften. Furcht ließ Elnas Herz klopfen, doch ebenso
staunte sie die perlgraue Erhabenheit des Lichtnebels an, der sich allmählich
weiter verdichtete und dabei langsam seinen Lichtschimmer verlor. Die Festung lag in den Schatten, bis sich die sich
versteinernde Fassade schließlich matt im Vollmondschein vom Berg dahinter abhob, als das
Himmelsgestirn seinen Weg hinter den tannengesäumten Gipfeln hervor fand.